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Protestparteien mischen Slowakei auf

Von Michael Schmölzer

Politik

Die Ära der Sozialdemokratie scheint vorbei. Populisten sorgen bei Beobachtern für Ratlosigkeit und Panik.


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Diesmal sieht es wirklich nicht gut aus für die slowakischen Sozialdemokraten (Smer), die seit 2006 am Ruder sind. Seit einiger Zeit deutet alles auf einen Sinkflug der Partei des ehemaligen Langzeit-Premiers Robert Fico hin. Laut der allerletzten Umfrage vor der Wahl am Samstag hat die Protestpartei "Gewöhnliche Menschen", Olano, die Führung übernommen. Die Populisten liegen bei 19,1 Prozent der Stimmen. Deutlich abgeschlagen kommen die Sozialdemokraten nur noch auf Platz zwei.

Im Ausland sind die "Gewöhnlichen Menschen" kaum bekannt, in der Slowakei aber längst etabliert. Seit zehn Jahren sitzen ihre Vertreter im Parlament, ab 2012 als reguläre politische Partei. Der Vorsitzende Igor Matovic ist klar das Markenzeichen der Olano: ein Intuitivpolitiker, bekannt durch Protestveranstaltungen und sehr emotionale, teils vulgäre Auftritte. Zudem ist Matovic ein verbissener Kritiker von Ex-Premier Robert Fico, dem er Korruption und Klientelismus zur Last legt.

Entstanden ist Olano nicht als politische Partei, sondern als kleine Bürgerinitiative. Diese wolle den Politikern gründlich auf die Finger schauen und gegen korrupte Praktiken vorgehen, hieß es.

Brot und Spiele

Fico selbst hat sich nach seinem Wahlsieg 2006 als gewiefter Taktiker erwiesen und so an der Macht halten können. Nach dem Mord an dem Investigativjournalisten Jan Kuciak und dessen Verlobten vor zwei Jahren musste Fico allerdings in den Hintergrund treten, nachdem es landesweit zu wütenden Protesten gekommen war. Neuer Premier wurde mit Peter Pellegrini ein Mann Ficos. Zuletzt gab es immer wieder Gerüchte, dass er sich mit seinem Mentor überworfen haben könnte.

© M. Hirsch

Seit 2016 hat die Smer-Regierung zahlreiche Sozialmaßnahmen eingeführt wie erhöhte Zahlungen für Nacht- und Wochenendarbeit oder Gratis-Mittagessen für Schulkinder, der Mindestlohn wurde auf mehr als 500 Euro angehoben. In letzter Minute vor der Wahl wurde auf Smer-Initiative eine umstrittene Zusatzpension beschlossen. Die Durchsetzung einer Kindergelderhöhung und die Abschaffung der Autobahnmaut für Pkw scheiterte aber.

Populäre Maßnahmen, doch die Ablehnungsfront gegen Smer ist in den vergangenen Jahren massiv angewachsen, sodass es für die Sozialdemokraten fast unmöglich wird, Partner für eine Regierungsarbeit zu finden. Zuletzt wurde sogar ein Bündnis der Pellegrini-Fraktion mit den Rechtsradikalen ins Spiel gebracht, doch auch das erscheint unwahrscheinlich.

Rechtsextreme noch isoliert

Die rechtsradikale Volkspartei "Unsere Slowakei" (LSNS) ist es, die europaweit für besorgtes Kopfschütteln sorgt. Alle Versuche, die als faschistisch geltende Gruppierung zu verbieten, schlugen bisher fehl. 2016 kam die LSNS mit acht Prozent der Stimmen ins Parlament, bei den Wahlen am Samstag könnten sie auf Platz drei oder sogar zwei kommen. Parteichef ist der Neonazi Marian Kotleba. Er ist in der Vergangenheit wegen extremistischer Straftaten und rassistischer Hetze mehrfach festgenommen worden. Sein Ziel ist die "Bildung eines slowakischen Ständestaates auf nationalem, christlichem und sozialem Prinzip". Die stärkste Waffe Kotlebas sind die Jungen. Würden bei der bevorstehenden Parlamentswahl nur Wähler unter 30 Jahren abstimmen, wäre er eindeutiger Wahlsieger.

Das Koalitionspotenzial der LSNS gilt zwar als gleich Null, weil alle aussichtsreichen Parteien eine Zusammenarbeit in Zukunft entschieden ausschließen. In der politischen Realität der Slowakei ist aber inzwischen alles möglich. So sorgt in Teilen der Öffentlichkeit und der politischen Szene die (realistische) Aussicht für Panik, dass der völlig unberechenbare Olano-Chef Matovic tatsächlich den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten könnte.