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Protokoll-Änderung

Von Werner Reisinger

Politik

Nationalfeiertag: Eine Angelobung ohne Oberbefehlshaber und ein bisschen Wahlkampf.


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Wien. Es geht auch ohne Oberbefehlshaber. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik leisteten am Nationalfeiertag die am Heldenplatz angetretenen rund 1200 Rekruten des Bundesheeres nicht vor dem Bundespräsidenten den Angelobungseid, sondern vor dessen interimistischer Vertretung, SPÖ-Nationalratspräsidentin Doris Bures.

Dem Interesse der Zuseher tat dies keinen Abbruch - bis 13 Uhr verzeichnete das Verteidigungsministerium bereits eine Million Besucher bei der Leistungsschau des Heeres und den zahlreichen Veranstaltungen im Parlament und im Regierungsviertel. Die Schlangen vor dem Hohen Haus am Mittwochvormittag waren wohl dem letzten Tag der offenen Tür vor Beginn des Umbaus geschuldet. Dass er sich nach wie vor enormer Popularität erfreuen kann, erfuhr der ebenfalls anwesende Altbundespräsident Heinz Fischer. Nur mit Mühe konnte sich Fischer nach der Zeremonie händeschüttelnd seinen Weg durch die Schaulustigen bahnen.

"Männerbastion Heer" erobern

In ihrer Rede war Doris Bures bemüht, den Veränderungsprozess, in dem sich das österreichische Heer befindet, zu unterstreichen: weiblicher werde dieses, wenn auch langsam. "Mögen viele Frauen die Männerbastion Bundesheer erobern." Das Heer spiegle heute die in weiten Teilen die Diversität des Landes wider, betonte die Nationalratspräsidentin. Dass Althergebrachtes nicht auf ewig Bestand hat, zeigte nicht nur die Anzahl der anwesenden Frauen in Uniform. So manche Soldatengesichter schmückten ungestutzte Bärte. Bartmode und Uniform - lange unmöglich, seit drei Monaten beim Heer offiziell erlaubt, wie in Erfahrung zu bringen war.

In Ermangelung des Oberbefehlshabers - ein Kandidat für das höchste Amt im Staate, Alexander Van der Bellen, befand sich während der Angelobung im Publikum, der andere, Norbert Hofer, begrüßte Besucher im Parlament - erfolgte die Meldung der Truppe Protokollgemäß an Bundeskanzler Christian Kern. Dieser nutzte die Bühne für eine deutliche Differenzierung zwischen Nationalismus und Patriotismus - und für Seitenhiebe auf die jüngsten Aussagen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. "Die Verrohung der Sprache ist ein Zeichen, das wir mit Sorge sehen müssen", sagte der Kanzler. Der Weg von der "Gewalt der Worte" zu einer "Gewalt der Taten" sei "denkbar kurz".

Patriotismus sei nicht mit Chauvinismus gleichzusetzen, sagte Kern in Anlehnung an den ehemaligen deutschen Präsidenten Johannes Rau: "Die Nationalisten verachten andere Länder. Patrioten lieben ihr Land." Die Österreicher würden diese Liebe durch Engagement unter Beweis stellen, so Kern, der als Beispiel die zwei Millionen Freiwilligen nannte, die sich in Vereinen und Organisationen engagieren. "In Österreich sind Patrioten die, die ihr Land gemeinsam vorwärts bringen." Um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, forderte der Kanzler die Zuhörer auf, "gemeinsam an einem rot-weiß-roten Strang" zu ziehen.

Doskozil für Denkmal

Der Gedanke der Gemeinsamkeit dominierte die Rede des Kanzlers. Als "Kristallisationspunkt" für die Gemeinschaft sollten die Rekruten auch ihre Zeit im Bundesheer erleben, so Kern, der den Katastrophenschutz, die Sicherung der Grenzen und Auslandseinsätze unter UN-Mandat als die zentralen Aufgaben des Heeres hervorhob. Dieses gebe "Sicherheit in einer Welt, die unruhiger geworden ist" - deshalb werde es auch mit mehr Mitteln ausgestattet. Die Neuorganisation des Heeres unter besseren finanziellen Rahmenbedingungen hob auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil in seiner Rede hervor - und machte gleichzeitig Werbung für das von ihm vorgeschlagene Denkmal für die in den letzten 60 Jahren Verstorbenen Angehörigen des Bundesheeres, das der Verteidigungsminister gerne am Heldenplatz sehen möchte. Per Aussendung meldete sich auch Vizekanzler Mitterlehner zu Wort: Mut und Optimismus wünschte sich der ÖVP-Chef für die Zukunft, das "Schüren von Vorurteilen" aber sei abzulehnen.

Nach der Angelobung zeigten Soldaten des Jagdkommandos ihr Können und landeten nach einem Fallschirmsprung aus einem Helikopter punktgenau auf der Paradefläche am Heldenplatz. Was am 26. Oktober eigentlich gefeiert wird, konnten bei einer Blitzumfrage der "Wiener Zeitung" am Heldenplatz nur wenige erklären. "Das Ende des Krieges" oder "das Ende der Besatzung" war gerade von ältern Besuchern häufig zu hören. Das Protokoll mag leicht zu ändern sein, bei festgefahrenen Mythen ist dies wohl schwieriger.