Zum Hauptinhalt springen

Protzen und bluffen als wichtige Strategien

Von Frank Ufen

Wissen
Hier streben zwei Winkerkrabben lieber voneinander weg. Foto: il mondo degli animali,rcs li

Biologen befassten sich eingehend mit der Winkerkrabbe. | Berlin. Die Männchen der Winkerkrabbe protzen gern. Ständig präsentieren sie die Schere, die bei ihnen extrem groß geraten ist, um ihre männlichen Konkurrenten einzuschüchtern und um attraktive Weibchen zu beeindrucken. Wegen des Umstands, dass sie beim Balzen ihre Schere hin- und herschwenken, werden sie im deutschen Sprachraum "Winkerkrabben" und im englischen "fiddler crabs" genannt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Oft genug sind die Männchen gezwungen, gegeneinander Zweikämpfe auszutragen. Dabei kann es ohne weiteres passieren, dass einem der Gegner die Winkerschere abgerissen wird. Für das verletzte Tier ist dieser Verlust keine Tragödie. Nach einiger Zeit ist ihm eine neue Schere gewachsen, die dem originalen Organ zum Verwechseln ähnelt.

Doch in Wahrheit handelt es sich bloß um ein zerbrechliches Imitat ohne scharfe Zähne, das zwar imposant aussieht, aber für Kämpfe völlig ungeeignet ist. Das hat kürzlich der australische Biologe Simon P. Lailvaux von der University of New South Wales herausgefunden. Er berichtete über seine Entdeckung kürzlich im Fachjournal "Functional Ecology".

Lailvaux und seine Mitarbeiter haben die Größe von Original- und Ersatzzangen ermittelt und gemessen, mit welcher Kraft die Krabbenmännchen zugreifen können und mit welcher Kraft sie Widerstand leisten, wenn man versucht, sie aus einem Tunnel zu ziehen. Dabei tritt ein fundamentaler Unterschied zutage: Während die Größe einer Original-Schere die Kampfstärke des Männchens ziemlich genau anzeigt, sagt die Größe von Scheren-Attrappen darüber überhaupt nichts aus.

Trotzdem sind die Weibchen unerschütterlich davon überzeugt, dass große Scheren auf gute Gene und eine gute körperliche Verfassung hindeuten würden. Die Weibchen fallen deswegen immer wieder auf Hochstapler herein. Die Männchen sind allerdings mindestens genauso naiv und leichtgläubig. "Männchen mit nachgewachsenen Scheren bluffen ihre Gegner etwa so, wie es fürs Pokern typisch ist. Sie sind keine guten Kämpfer, aber ihre Erscheinung erlaubt es ihnen, die anderen Männchen zu überzeugen: Mit dem lege ich mich nicht an", sagt Lailvaux.

Meistens geht die Rechnung der Hochstapler auf und sie schaffen es, ihre Rivalen einzuschüchtern und in die Defensive zu drängen. Hierfür gibt es einen einfachen Grund: Die Männchen lassen sich nur dann auf einen Zweikampf ein, wenn sie glauben, dass das Risiko gering ist, von ihrem Gegner geschlagen zu werden.

Ohne Rücksicht auf Verluste greifen die Männchen erst dann an, wenn ein Konkurrent es wagt, in ihr Territorium einzudringen. "Einer der Gründe, warum sich unserer Ansicht nach dieses Imponiergehabe entwickelt hat, ist, weil die Tiere einen diplomatischen Weg brauchen, um Konflikte zu lösen," erklärt Lailvaux. "Anstatt jeden Konflikt mit jedem Männchen, das vorbeikommt, kämpfend auszutragen, ist dies ein Weg, im Vorhinein abzuschätzen, welche Rivalen sie im Kampf besiegen können und welchen gegenüber sie verlieren."