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Provisorien als Problemlösung

Von Simon Rosner

Politik

In der Asylpolitik findet Österreich seit vielen Jahren keine Mittel und Wege - auch diesmal.


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Wien. In Syrien herrscht Krieg, rund elf Millionen Menschen sollen sich auf der Flucht befinden, die Hälfte der Bevölkerung. Von dieser immensen Fluchtwelle vor den Toren Europas wird Österreich nur gestreift. Im ersten Halbjahr hat es 2000 Asylanträge von Syrern gegeben, die damit die größte Gruppe der Geflüchteten darstellen. Insgesamt bewegte sich die Anzahl der Anträge seit zwei Jahren auf stabilem Niveau, dürfte nun aber ansteigen. Dies und eine politische Diskussion über Verantwortlichkeiten hat zu einer Eskalation und dem Aufnahmestopp in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen geführt.

Wo versorgt man nun neue Asylwerber?

So lange über die Zulassung zu einem Verfahren noch nicht entschieden ist, was drei Wochen in Anspruch nehmen darf, muss der Bund die Versorgung gewährleisten. Geflüchtete können in Traiskirchen auch weiterhin ihren Antrag stellen, sie werden ärztlich untersucht, Fingerabdrücke werden abgenommen. Unter anderem, um zu prüfen, ob bereits in einem anderen EU-Land ein Asylverfahren läuft. Bis in Traiskirchen wieder Geflüchtete aufgenommen werden, organisiert nun das Innenministerium andere Unterkünfte. Kapazitäten gibt es in Fieberbrunn, Reichenau an der Rax, Bad Kreuzen und Wien. Verteidigungsminister Gerald Klug bot dem Innenministerium nun auch die Zwischennutzung der Kaserne Linz-Ebelsberg an, die 2015 verkauft werden soll. Die Nutzung ist auf sechs Monate befristet. Möglich, dass Traiskirchen dann wieder aufnimmt.

Wie viele Asylwerber kommen nach Österreich?

Je näher ein politischer Krisenherd ist, desto mehr Asylsuchende gibt es. So hat Österreich während der Jugoslawien-Kriege deutlich mehr Geflüchtete beherbergt als derzeit. In jüngerer Vergangenheit war 2002 das Jahr mit der größten Anzahl an Asylanträgen in Österreich: fast 40.000. Im Jahr 2010 waren es dann nur mehr 11.000 Anträge. Seit damals steigen die Zahlen wieder, blieben zuletzt aber stabil bei rund 17.500. Auch im ersten Halbjahr setzte sich diese Entwicklung zunächst fort, im Juli schnellten die Zahlen aber nach oben. Das Innenministerium erwartet den antragsstärksten Monat seit 2005.

Ist das Lager Traiskirchen tatsächlich übervoll?

Die Erstaufnahmestelle hat mit 480 Personen seine Kapazitäten bei weitem nicht erreicht. Bei der Ungarn-Krise 1956 wohnten zeitweise 6000 Geflüchtete in Traiskirchen, derzeit ist die feuerpolizeiliche Zulassung für rund 1700 Personen gegeben. Das Limit von 480 Asylwerbern geht auf eine Vereinbarung zwischen Landeshauptmann Erwin Pröll und der damaligen Innenministerin Maria Fekter aus dem Jahr 2010 zurück, als Fekter mit ihrem Plan, in Eberau im Burgenland eine dritte Erstaufnahmestelle zu installieren, an einer Volksbefragung scheiterte - sehr zum Missfallen Prölls. Unabhängig davon wird aber darüber diskutiert, kleinere Betreuungseinrichtungen zu organisieren, da so große Quartiere wie jenes in Traiskirchen nicht mehr den Anforderungen und Bedürfnissen der heutigen Zeit entsprechen und Geflüchtete auch nicht adäquat versorgt und betreut werden können.

Was bedeutet die 88-Prozent-Quote?

Im Jahr 2004 wurde die Versorgung von Asylwerbern mit einer 15a-Vereinbarung geregelt, wonach der Bund 60, die Länder 40 Prozent der Kosten tragen. Der Bund ist bis zur Zulassung des Asylverfahrens zuständig, danach die Länder, die auch für die Quartiere zu sorgen haben - und zwar entsprechend dem Bevölkerungsanteil. Da vor zwei Jahren eine ähnliche Situation mit einem Überbelag in Traiskirchen und sehr großem politischem Druck aus Niederösterreich herrschte, wurde in einem Asyl-Gipfel zwischen Bund und Ländern beschlossen, dass die zumindest 88 Prozent der jeweiligen Quote erfüllt werden müssen. Rechtlich ist dies nirgendwo festgeschrieben, dennoch wird die Einigung von 2012 weiterhin "gelebt".

Warum erfüllen einige Länder die Quote nicht?

Der Verteilungsschlüssel bleibt unverändert, der Bedarf in absoluten Zahlen hängt aber von den Verfahren ab. In Salzburg wurden etwa in einem Jahr 100 neue Plätze geschaffen, allerdings fehlen noch immer 200 Plätze zur Erfüllung der vollen Quote, weil es etwas mehr Asylwerber gibt. In der Realität scheitern geplante Projekte häufig am Widerstand von Bürgermeistern und Bewohnern. Ein zweites Problem ist der maximale Kostensatz pro Asylwerber von 19 Euro. Gerade im Westen ist der Betrag für private Betreiber nicht attraktiv, um den Gasthof oder die Pension zum Asylwohnheim umzuwidmen. Allerdings sind die Länder frei, aus ihrem eigenen Budget noch Gelder zuzuschießen - was jedoch nicht getan wird. Politisch nicht durchsetzbar, heißt es aus Salzburg.

Hat sich die Qualität der Quartiere verbessert?

Die Quantität der Quartiere ist ein politischer Dauerstreit, dagegen recht neu ist die Diskussion über deren Qualität, nicht zuletzt aufgrund von Recherchen von "Dossier.at". Eine Einigung auf Mindeststandards konnte Anfang des Jahres nicht erzielt werden, das Burgenland und Wien waren dagegen. Dennoch hat sich die Situation verbessert, wie auch Asyl-Hilfsorganisationen bestätigen, auch im Burgenland, das zudem die 88-Prozent-Quote derzeit erfüllt. Das Bemühen um bessere Unterkünfte erschwert jedoch auch die Schaffung von neuen, vor allem von solchen, die öffentlich gut angeschlossen sind. Dies hat sich in der Vergangenheit als Problem herausgestellt, teilweise wurde die Abgeschiedenheit auch bewusst gewählt, wie etwa bei der "Saualm" in Kärnten unter Jörg Haider. Die Flüchtlinge dorthin zu verbannen, war dem Land übrigens sogar 40 Euro wert.