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Provokationen vor dem EU-Beitritt

Von Heike Hausensteiner, Nicosia

Europaarchiv

Die Verhandlungen unter UNO-Schirmherrschaft über eine Wiedervereinigung von Zypern treten offensichtlich auf der Stelle. Eine Lösung vor dem EU-Beitritt in etwas mehr als einem Monat scheint immer unwahrscheinlicher. Ab morgen wird in der Schweiz verhandelt, wobei die "Garantiemächte" Griechenland und die Türkei einbezogen werden. Die zypriotische Bevölkerung wünscht sich nichts sehnlicher als den Abbruch ihrer "Mauer". Über die Details, die die Lösung des Konflikts zur Folge hätte, wissen die Zyprioten jedoch wenig.


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"Wir wollen endlich Freiheit, wir wollen uns auf der ganzen Insel frei bewegen", bringt Yannis die zypriotische Befindlichkeit auf den Punkt. "Aber die Politiker verhandeln und verhandeln und bringen nichts weiter." Andreas behauptet sogar, die griechische wie die türkische Bevölkerung würde die Wiedervereinigung der Insel "einstimmig" befürworten. Schließlich sei der Norden Zyperns "illegal besetzt" von türkischer Seite. "Wenn wir über die Grenze schauen und überall die türkische Fahne sehen, empfinden wir das als Provokation." Vielsagend ist jedoch auch, dass an den öffentlichen Gebäuden die zypriotische Flagge stets mit jener von Griechenland gepaart ist. Auch ist auf Zypern der Unabhängigkeitstag der Insel-Republik (1. Oktober) ebenso wie der Griechenlands (25. März) ein gesetzlicher Feiertag; das Gleiche gilt für die Nationalfeiertage (1. April bzw. 28. Oktober).

"Illegale" Situation beenden

Zu Beginn der neuerlichen UNO-Gespräche im Februar sei er "noch zuversichtlich" gewesen, berichtet Andreas, "aber jetzt bin ich gar nicht mehr so optimistisch. Man wird sehen, was herauskommt." Der studierte Historiker (Alter: Ende 40), der nach dem Uni-Abschluss sieben Jahre als Kellner arbeitete - "du brauchst eine schwarze Hose, dann hast du einen Job", habe man ihm gesagt -, ist als griechischer Zypriote bei der Teilung in den Süden vertrieben worden. "Ich darf mein Haus zwar besuchen, aber ich darf nicht bleiben."

Und wer von den griechisch- ebenso wie türkisch-zyprischen Vertriebenen muss wieder umsiedeln, wie das der UNO-Wiedervereinigungsplan vorsieht? "Sie stellen aber viel Fragen", versucht Andreas der drohenden unangenehmen Situation auszuweichen. "Wir wissen es noch nicht, das wird erst ausgemacht, Kommissionen werden darüber entscheiden."

Unwissendes Volk soll abstimmen

Tatsächlich weiß die Mehrheit der Zyprioten über die Details der Wiedervereinigung kaum Bescheid - und lehnt den Plan laut verschiedener Umfragen auch mehrheitlich ab. Rund 70 Prozent der Bevölkerung fühlen sich über den UNO-Entwurf nicht informiert. Michalis Papapetrou von der Partei der Vereinigten Demokraten mutmaßt sogar, "bestimmte Politiker" würden vorsätzlich Desinformation betreiben, um den Plan als "desaströs" für die Griechen-Zyprer darzustellen.

Andere Beobachter meinen, Präsident Tassos Papadopoulos würde insgeheim mit der griechisch-zypriotischen Ablehnung der Wiedervereinigung spekulieren, ohne dies explizit den Wählern nahezulegen.

Im griechischen und türkischen Landesteil soll bereits in einem Monat, am 20. April, in getrennten Referenden über den Plan zur Errichtung der "Vereinigten Republik Zypern" abgestimmt werden. Ursprünglich hatte die UNO den 21. April als Datum vorgesehen. Doch dann wäre die Abstimmung auf den Jahrestag des griechischen Militärputsches in Athen gefallen, der letztlich für die Teilung der Insel mitverantwortlich war.

Sollten hingegen, wie es derzeit Umfragen vermuten lassen, die türkischen Zyprioten mehrheitlich für die Föderation der beiden Landesteile stimmen, wäre dies nicht weiter verwunderlich: Die international nicht anerkannte "Türkische Republik von Nord-Zypern" bekäme nach der Bildung des Bundesstaates alle Rechte. Der 80-jährige schwergewichtige Volksgruppenführer Rauf Denktash hat denn auch seine Teilnahme an den weiteren Verhandlungen unterbrochen. Er kritisiert zwar öffentlich den UNO-Plan, der seine Volksgruppe "vernichte". Vermutlich möchte aber die türkische Seite pokern bis zum Schluss: Im Dezember dieses Jahres entscheidet die EU darüber, ob sie mit Ankara Beitrittsverhandlungen aufnimmt. Gut möglich, dass man bis dahin mit Zypern ein Ass im Ärmel behalten möchte.