Unternehmer soll im großen Stil Kundenware veruntreut haben.
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Wien. Die Arme vor seinem mächtigen Bauch verschränkt, blickt der Angeklagte in die Luft. Einmal nickt er, einmal schüttelt er den Kopf, gelassen auf der Bank sitzend. Doch je länger die Verhandlung dauert, je detailreicher die Vorwürfe aufgeschlüsselt werden, desto öfter und länger schließen sich seine Augen. Er müsse aufmerksam sein, ermahnt ihn Richter Philipp Krasa; ja, er sei ja hier, antwortet der Angeklagte.
Mit einer gewissen Gelassenheit dürfte der Mann auch seinen Betrieb geführt haben. Der Angeklagte stammt aus einer Wiener Uhrmacher-Dynastie. Laut Strafantrag soll er seit dem Jahr 2010 mehr als 50 Uhren, die er von Kunden zur Reparatur oder in Kommission übernommen hatte, ans Dorotheum und andere Abnehmer verpfändet beziehungsweise verkauft haben. Dabei handelte es sich um wertvolle Gegenstände wie antike Reisewecker oder eine Standuhr aus der Biedermeierzeit.
Den Erlös soll er sich in die eigene Tasche gesteckt haben. Die Staatsanwaltschaft Wien hat ihn wegen Veruntreuung angeklagt, der Schaden soll zwischen 200.000 und 250.000 Euro liegen. Am Freitag muss sich der Angeklagte vor einem Schöffensenat des Wiener Straflandesgerichts verantworten. In den Gerichtssaal wird er von Polizisten geführt. Denn derzeit befindet er sich im polizeilichen Anhaltezentrum in der Rossauer Lände in Haft. "Wegen Autostrafen", erklärt er.
Zu den Vorwürfen bekennt sich der Mann weitgehend schuldig. Er habe durch die Veräußerung der Uhren die Pleite seines Familienbetriebes abwenden wollen, sagt er: "Ich hab’ die Umsatzsteuer unregelmäßig bezahlt. Da ist einiges zusammengekommen. Dann sind mir noch Uhren aus dem Schaufenster gestohlen worden." Briefe von der Finanz habe er dann "gar nicht mehr aufgemacht".
Die Uhren habe er sich jedoch nur "ausgeborgt": "Ich wollte mir Zeit rausholen." Für Vermittlungsdienste bei einem Villa-Verkauf und die Installation eines zwei Meter großen Ziffernblattes habe er nämlich größere Geldsummen erwartet, so der Angeklagte. Leider seien aber beide Geschäfte geplatzt. Daher habe er die Uhren im Dorotheum nicht mehr auslösen können.
Im Februar 2018 schlitterte das Unternehmen in den Konkurs. "Es gab keine ordentliche Buchhaltung und keinen Steuerberater", schildert der Masseverwalter. Im Betrieb stieß man jedoch auf einige Pfandscheine des Dorotheums, durch die man einen Teil der verschwundenen Uhren wieder ausfindig machen konnte. Einige Betroffene lösten die Gegenstände auf eigene Kosten aus.
Kunden getäuscht
Darunter befand sich beispielsweise ein Mann, der seine 7000 Euro teure Breitling in dem Auktionshaus wiederfand. Dabei hatte er die Uhr dem Angeklagten lediglich zur Reparatur gegeben. Dieser habe ihm erklärt, er müsse sie zum Hersteller schicken, weil sie derart lädiert sei. "In Wahrheit war nur die Batterie kaputt, wie ich inzwischen weiß", so der Betroffene.
Der Verbleib anderer Uhren ist hingegen unklar. Teilweise veräußerte der Uhrmacher die Gegenstände auch an "Freunde" und "Bekannte". Deren Namen will er vor Gericht aber nicht verraten. Zahlreiche Geschädigte verlangen Wiedergutmachung und haben sich dem Verfahren daher als Privatbeteiligte angeschlossen.
Bereits im März 2018 wurde der Uhrmacher wegen gleichartiger Delikte zu einer neunmonatigen, bedingten Haftstrafe verurteilt. Damals waren aber lange noch nicht alle Fälle und Vorwürfe bekannt, weshalb es nun zu dem zweiten Prozess kam.
Auf die erste Verurteilung muss der Schöffensenat bei seinem Urteil aber Bedacht nehmen, sie also bei der Strafbemessung berücksichtigen. Am Freitag verurteilt er den Mann zu einer Zusatzstrafe von 22 Monaten Haft, davon sieben Monate unbedingt. Insgesamt fasst der Mann daher 31 Monate Haft aus. Es ist beinahe die Höchststrafe: 36 Monate wären das Maximum gewesen. Seinen Kunden muss er zudem den Schaden wiedergutmachen, sollte er wieder zu Geld kommen.
Aufgrund des langen Tatzeitraumes, dem hohen Schaden und der Ausnützung einer "besonderen Vertrauensstellung" sei eine harte Strafe auch aus "generalpräventiven Gründen" nötig, urteilt Richter Krasa. Der Uhrmachermeister nimmt das Urteil an, die Anklagevertreterin gibt vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.