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Istanbul - Die Journalistin Nadire Mater hatte ein Tabu gebrochen und sich mit "Mehmets Buch" beim türkischen Militär unbeliebt gemacht.
In dem inzwischen verbotenen Buch lässt sie 42 Soldaten ("Mehmets"), die zwischen 1984 und 1998 im Südosten gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gekämpft haben, vom Krieg erzählen. Istanbuls Staatsanwaltschaft wirft der 51 Jahre alten Journalistin "Beleidigung und Herabwürdigung des Militärs" vor und fordert eine Haftstrafe zwischen zwei und zwölf Jahren. Am kommenden Freitag, genau ein Jahr nach Beginn des Prozesses, wird das Urteil erwartet.
"Ich habe mich nie als schuldig betrachtet", sagte Mater wenige Tage vor der Urteilsverkündung. In ihrer Verteidigungsrede hatte die Journalistin und Vertreterin von Reporter ohne Grenzen das Schweigen über den Krieg kritisiert, der nach offiziellen Angaben mehr als 32.000 Menschen das Leben gekostet hat. "Sie (die Soldaten) haben 15 Jahre lang geschwiegen, und wir haben nicht gefragt", sagte Mater vor Gericht. "Ich bin stolz, 'Mehmets Buch', das nur beim Generalstab und der Staatsanwaltschaft negative Reaktionen ausgelöst hat, geschrieben zu haben." Das Buch, das inzwischen als Raubkopie auf dem Markt ist, war für türkische Verhältnisse ein Bestseller: Gut zwei Monate nach Erscheinen wurde es verboten - bis dahin waren schätzungsweise 15.000 bis 20.000 Bücher über den Ladentisch gegangen.