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Prozess um chinesische Sexstudios

Von Daniel Bischof

Eine Menschenhändler-Bande soll 77 junge Frauen aus China nach Österreich gelockt haben. In Wien wurden die Frauen laut Anklage zur Prostitution gezwungen. Die Angeklagten bestreiten das.


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Wien. Wurden die jungen Frauen ausgebeutet? Zwang man sie zur Prostitution? Oder arbeiteten sie freiwillig? Um diese Fragen drehte sich am Dienstag ein Prozess am Wiener Straflandesgericht. Neun mutmaßliche Mitglieder einer chinesischen Menschenhändler-Bande hatten sich vor einem Schöffensenat zu verantworten. 77 junge Frauen aus China sollen sie von Herbst 2011 bis 2016 nach Österreich gelockt haben. In Wien sollen die Frauen dann in Sex-Studios ausgebeutet worden sein.

Ein besseres Leben in Österreich habe die Bande den jungen Frauen versprochen, führte Staatsanwältin Tamara Ranzdorf aus. "Man hat den Frauen gesagt, sie können legal nach Österreich kommen und hier arbeiten, wenn man der Bande hohe Geldbeträge zahlt." Doch dann habe man den jungen Damen teilweise bereits am Flughafen Schwechat ihre Pässe, Mobiltelefone und ihr Geld weggenommen.

In Wien habe man die Frauen dann zur Prostitution gezwungen, damit sie ihre angeblichen "Schulden" bei einer chinesischen Agentur abbezahlen, so Ranzdorf. Vom Lohn haben die Frauen laut der Anklägerin nichts bis kaum etwas gesehen. "Sie mussten sogar Pönalen zahlen, wenn sie nicht arbeiten konnten - etwa dann, wenn sie ihre Monatsblutung hatten."

Hauptangeklagter teilgeständig

Von diesen Vorwürfen will Karl Bernhauser, der Verteidiger des chinesischen Erstangeklagten, nichts wissen. Sein 40-jähriger Mandant arbeitete offiziell als Koch, betrieb aber mehrere Sexstudios in Wien. Als Geschäftsführerinnen setzte der Angeklagte, der seit 22 Monaten in Untersuchungshaft sitzt, chinesische Frauen ein. Sie sollen als Aufpasserinnen fungiert haben und sind ebenfalls angeklagt.

"Mein Mandant hat auch verdient, das ist gar keine Frage", erklärte Bernhauser. Der 40-Jährige sei teilgeständig. Er habe Frauen der Prostitution zugeführt - in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie sich gewöhnlich aufhalten. Das ist auch dann strafbar, wenn die Frau dem zustimmt (217 Abs 1 StGB).

Doch könne von Ausbeutung, Zwang und Gewalt keine Rede sein: "In Österreich gibt es an jeder Ecke China-Restaurants, wo man als Chinesin hingehen und sagen kann: ,Ich brauche Hilfe, ich möchte zur Polizei‘." Zudem hätten die Prostituierten im Monat 8000 Euro verdient: "Die haben hier eine absolute Freizügigkeit genossen."

Der 40-Jährige habe die Frauen nur in seinen Studios arbeiten lassen: "Er hat auch alles, was zum Sexualverkehr nötig war, zur Verfügung gestellt: Kondome, die Schminke, weiß der Teufel was noch alles." Dafür habe der Angeklagte die Hälfte des Lohnes bekommen, sagte Bernhauser.

Die Frauen hätten genau gewusst, auf was sie sich einließen, als sie ihre Heimat verließen, so der Rechtsanwalt: "Die sind mit Touristen-Visa gekommen und haben unter falschen Namen um Asyl angesucht."

Vor den Asylbehörden seien dann falsche Angaben gemacht worden. "Die Frauen haben etwa erzählt, dass sie in China Ketten mit Elfenbein verkauft haben und das schwer bestraft werde oder sie ihr Haus bei einem Erdbeben verloren haben", so Bernhauser.

Die Anklage erzählt hingegen eine andere Version: Sie wirft der angeblichen Bande vor, den Frauen in China gefälschte Visa ausgestellt zu haben, um ihnen die Einreise nach Österreich zu ermöglichen. Auch sei den Frauen von den mutmaßlichen Tätern genau vorgegeben worden, was sie den Asylbeamten sagen sollen.

"Sie war nicht so attraktiv"

Neben grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, Schlepperei und Menschenhandel ist der Erstangeklagte auch wegen Vergewaltigung angeklagt. Er soll eine Prostituierte mehrfach missbraucht haben. "Er hat so viele hübsche Frauen, die für ihn arbeiten, warum soll der eine vergewaltigen? Der war ja nicht in einem sexuellen Notstand. Und sie war nicht so attraktiv", sagte Verteidiger Bernhauser.

Sein Mandant werde von den Frauen nur belastet, da es als Opfer eines Sexualdeliktes leichter sei, eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Auch herrsche im Rotlichtmilieu ein Konkurrenzkampf. Da komme es vor, dass gezielt falsche Anschuldigung lanciert werden würden.

Auch die anderen Verteidiger streiten die Vorwürfe gegen ihre Mandanten ab. So meinte die Verteidigerin einer Sexarbeiterin, die der Bande angehören soll: "Die Prostituierten kennen sich untereinander und sind vernetzt. Die brauchen keine Schlepper." Ihre Mandantin sei ein "Zugpferd" gewesen. Jeder Bordellbetreiber habe sie haben wollen. Deswegen habe es Streit mit anderen Prostituierten gegeben, die ihr den Erfolg neidig gewesen seien.

Angeklagt ist ebenfalls ein 60-jähriger Österreicher, der seit Februar 2016 eine mehrjährige Haftstrafe wegen Suchtgifthandels verbüßt. Der mehrfach vorbestrafte Jurist war zuvor in zwei bekannten Wiener Anwaltskanzleien als einfacher Mitarbeiter beschäftigt. Er soll sich den Frauen gegenüber als Anwalt ausgegeben haben. Pro Behördengang habe er von den Frauen 1000 Euro abgezockt, obwohl eine Prostitutionsbewilligung und entsprechenden Gesundenuntersuchung kaum bis gar nichts kosten würde, so Staatsanwältin Ranzdorf. Das sei eine Unwahrheit, erklärte sein Verteidiger Amir Ahmed. Sein Mandant habe den Damen nur geholfen. "Die Anklage ist schleißig", sagte er.

Angeklagte belastet Bande

Eine Mitangeklagte, die zugleich auch als Opfer geführt wird, belastete hingegen die anderen Angeklagten. Die Frau arbeitete als Prostituierte und gab an, unter falschen Versprechungen von der Bande nach Österreich gelockt worden zu sein.

Ein Urteil wird es wohl erst in einigen Wochen geben. Bis Ende März sind noch elf Verhandlungstage ausgeschrieben. Am Donnerstag wird die Hauptverhandlung mit den Einvernahmen der Angeklagten fortgesetzt.