Die Psychotherapieausbildung soll akademisiert werden. Experten fürchten geringere Versorgung und Qualität.
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Das Psychotherapiegesetz wurde heuer 32 Jahre alt. Es zu novellieren scheint also alles andere als verfrüht - es sei denn, Ausbildung und Versorgung drohen, sich dadurch zu verschlechtern. Tatsache ist: Seit Jahresbeginn wird an der Akademisierung der Psychotherapieausbildung gearbeitet. Am Montag schlugen Expertinnen und Experten aus der Praxis Alarm. Sie fürchten eine noch stärkere Unterversorgung der Patienten und Qualitätsverlust der Ausbildung, sollte es an Zeit für die Erarbeitung der Novelle und an Geld fehlen.
Aktuell ist es so, dass Psychotherapeuten meist einen Quellberuf und eine fünfjährige Ausbildung hinter sich haben, die mehrere 10.000 Euro kosten kann. Es gibt aber auch die Möglichkeit der Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, die nach dem sechsjährigen Medizinstudium weitere sechs Jahre in Anspruch nimmt. Im Unterschied zu Psychotherapeuten darf der Psychiater psychische Erkrankungen und Störungen auch medikamentös behandeln. Die Ausbildung ist generell im Psychotherapiegesetz geregelt.
Studium mit drei Abschnitten
Diese soll nun zum ordentlichen Studium mit drei Abschnitten werden: Bachelor, Master und als dritter Ausbildungsschritt eine postgraduale, psychotherapeutische Fachausbildung. Die Befürchtung aus der Fachwelt: "Wenn der politische Druck zu groß ist, könnte es zu einer billigen Husch-Pfusch-Lösung kommen", sagte Alfried Längle, der unter anderem Facharzt für psychotherapeutische Medizin ist. Denn die Finanzierung sei angesichts der in Finanznöte geratenen Unis ungeklärt. Diese erhalten für 2023 zwar 400 Millionen Euro an Teuerungsausgleich, die TU Wien etwa bereitet aber dennoch bereits Schließtage vor, um Heizkosten zu sparen.
Zudem fehle das Personal. "Die Universitäten sind derzeit nicht in der Lage, diese Ausbildung auf die Beine zu stellen", ergänzte Wilfried Datler, Leiter des Arbeitsbereichs Psychoanalytische Pädagogik am Institut für Bildungswissenschaft. Deren hohe Qualität sei daher nicht gewährleistet. Gleichzeitig gebe es bereits psychotherapeutische Fachgesellschaften. "Die Kooperation zwischen Unis und Fachgesellschaften sollte daher gefördert und gesetzlich festgeschrieben werden."
"Wo interdisziplinär zusammengearbeitet wird, ist der Erfolg am größten", sagte auch Henriette Löffler-Stastka, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin. Das sei wesentlicher denn je, denn bereits jetzt sei die Versorgungslage alarmierend: Die 11.415 eingetragenen Psychotherapeuten und 869 Fachärzte erreichten lediglich drei Prozent der Bevölkerung -der Bedarf liege bei 25 Prozent. Von den schweren Fällen würden nur 26 Prozent behandelt. Die Corona-Pandemie habe den Bedarf zusätzlich erhöht.
Jüngere satteln öfter um
Laut der Psychotherapeutin Ursula Narath könnte sich die Unterversorgung sogar weiter verschärfen. Der Wegfall der derzeitigen, bekannten Ausbildungsangebote könnte dazu führen, dass anfangs weniger als bisher das neue Modell wählen. Und: Die Auszubildenden seien durch dieses um rund zehn Jahre jünger, da sie davor weder Quellberuf noch Medizinstudium brauchen. "Das verändert ja etwas", sagte Narath, etwa hinsichtlich Persönlichkeit und Erfahrung. Jüngere würden auch öfter umsatteln. Übergangsmodelle wären daher sinnvoll.
Das Gesundheitsministerium kalmiert. Im Zuge der Erarbeitung der Novelle des Psychotherapiegesetzes "werden Expertinnen und Experten aus der Praxis natürlich in den Prozess miteingebunden", heißt es auf Nachfrage aus dem Ministerium. Ein genauer Zeitpunkt, wann der Gesetzesentwurf vorliegen soll, stehe noch nicht fest.
Das Wissenschaftsministerium werde erst in weiterer Folge mit der Materie befasst sein, heißt es wiederum von diesem - und zwar, sobald es einen Beschluss gibt, der die Ausbildung akademisiert.