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Puchhammer-Stöckl: Schwerer Covid-Verlauf eine Frage der Genetik

Von Eva Stanzl

Wissen
Elisabeth Puchhammer-Stöckl wurde als Wissenschafterin des Jahres ausgezeichnet.
© Roland Ferrigato

Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl ist "Wissenschafterin des Jahres" 2020. Sie steht für umfassende Aufklärung zur Pandemie mit dem Coronavirus.


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Die Wiener Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl ist "Wissenschafterin des Jahres 2020". Mit der Auszeichnung ehrt der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten die Vermittlungsarbeit der 58-jährigen Leiterin des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien vor allem während der Corona-Pandemie.

Mit der seit 1994 alljährlich durchgeführten Wahl würdigt der Klub insbesondere das Bemühen von Forschenden, ihre Arbeit einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen. Als Mitglied der Corona-Task Force des Gesundheitsministers bringt Puchhammer-Stöckl die Fakten und Hintergründe von Sars-CoV-2 einer breiten Öffentlichkeit näher, doch "es war schwierig, den Weg zu finden, was ist gesichertes Wissen, was ist Pre-Print. Wir haben das getan, was wir immer in unseren Hörsälen machen und versucht, das Wissen sowohl an die Allgemeinheit als auch an die Politik weiterzugeben", betonte die Ausgezeichnete bei der Online-Preisverleihung im Presseclub Concordia am Donnerstag in Wien.

"Kaum jemand in Österreich vermittelt die komplexen Zusammenhänge rund um die Pandemie so gut, präzise, unaufgeregt und verständlich in Funk, Fernsehen, Online und Print. Man hat das Gefühl, nach einem Interview mit ihr versteht nicht nur die Fachwelt, worum es wirklich geht, sondern auch das allgemein interessierte Publikum. Und genau diese Fähigkeit, komplexe Inhalte einer breiten Seher- oder Leserschaft vermitteln zu können, ist es, die wir in diesem Klub so sehr schätzen, und heute auszeichnen", hieß es in der Begründung des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjounalisten.

Ausblicke auf die nächsten Monate der Pandemie gab Puchhammer-Stöckl der "Wiener Zeitung" im Vorfeld im Interview.

"Wiener Zeitung": Worin besteht eine gute Kommunikation von Wissenschaft?

Elisabeth Puchhammer-Stöckl: Man muss komplexe Dinge mit einfachen Worten auf eine Art und Weise verständlich machen, dass auch Menschen, die noch nie mit dem Fachgebiet zu tun hatten, sie verstehen können. In der Politik wiederum muss man klare Botschaften vermitteln, die halten, was schwierig ist in einer Pandemie, die sich dauernd verändert.

Auch die Politik sucht nach Worten. Obwohl es sinnvoll ist, wenn nur negativ Getestete zu Veranstaltungen kommen, wurde der Begriff "freitesten" massiv kritisiert, weil er nicht mit Pandemiebekämpfung, sondern mit Befreiung von Gefangenschaft in Verbindung gebracht werden kann. Hatte die Politik die falsche Marketing-Strategie?

Die Regierung hat Berater und Kommunikationsexperten, die das wissen müssten. Mit den Massentests konnte man aber am Ende des zweiten Lockdowns mehr als 4.000 ansteckende Menschen herausfiltern und einen Teil des Infektionsgeschehens senken.

Welche Schritte müssen gesetzt werden, um nicht im ewigen Lockdown verharren zu müssen?

Aus wissenschaftlicher Sicht muss man mehrere Dinge tun, zum Beispiel so lange Abstand zu halten, bis ein substanzieller Teil der Bevölkerung immun ist. Und es ist wichtig, die Virusstämme vermehrt anzuschauen. Wir analysieren wie bisher Stammsequenzen vor allem Kollegen am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (Cemm) in Wien. Angesichts der britischen und südafrikanischen Varianten brauchen wir einen Überblick, ob wir uns auf ein stärkeres Infektionsgeschehen einstellen müssen.

Zu Pandemie-Beginn hieß es, Sars-CoV-2 sei wenig mutationsfreudig. Jetzt verbreiten sich neue Mutationen um die Welt. Droht ein Wendepunkt im Infektionsgeschehen?

Sars-CoV-2 ist ein relativ stabiles Virus. Mutationen kommen und gehen nicht so dramatisch wie bei Influenza. Sie entstehen zufällig in Viren. Manche haben null Effekt und werden nicht einmal auf Protein-Ebene abgebildet, andere werden zwar abgebildet, haben aber keine Bedeutung. Wiederum andere sind schlecht für das Virus und verschwinden wieder. Noch andere sind gut für es, weil sie an die Wirte besser angepasst sind. Die jetzigen Mutationen scheinen möglicherweise infektiöser, aber klinisch nicht gefährlicher zu sein. Die britische Mutation könnte sich in Patienten entwickelt haben, die das Virus lange chronisch hatten, weil sie immun-defizient waren. Die Varianten müssen nicht unbedingt eine Wende in der Epidemie in Österreich auslösen, aber die Variante aus Großbritannien wurde dort schnell dominant.

Können Sie ausschließen, dass das Virus so mutiert, dass die Impfungen nicht greifen?

Würden Mutationen in mehreren entscheidenden Bereichen des Virus und insbesondere an den Andock-Stellen entstehen, wäre das möglich. Wenn man aber die britische Variante in dieser Struktur unter die Lupe nimmt, zeigt sich, dass sie die Bindung der Antikörper, die durch den Impfstoff ausgelöst werden, nicht wirklich konterkariert. Daher gehen die Impfstoffhersteller davon aus, dass Vakzine wirksam sind.

Nicht alle können gleichzeitig geimpft werden. Wie werden wir bis zum Sommer im Alltag leben?

Es wird ein schwieriger Frühling werden, auch in Anbetracht der Umbrüche, die entstehen, wenn ein Teil der Bevölkerung bereits geschützt und der andere noch nicht geschützt ist. Zudem lässt sich noch nicht sagen, ob es angesichts der neuen Stämme noch einmal ein massives Infektionsgeschehen geben wird. Die Durchimpfung von Hochrisikopersonen würde allerdings die Intensivstationen schnell entlasten. Das wäre ein großer Schritt.

Weiß man schon, warum verschiedene Menschen unterschiedliche Verläufe erleiden?

Es gibt eine genetische Komponente beim Menschen. Zehn Infizierte haben es leicht, der elfte landet auf der Intensivstation: Es muss also Wirtsfaktoren geben, die, abseits von Alter und Vorerkrankungen, die Schwere der Infektion beeinflussen. Wir haben in einer Studie auf die Immunantwort der Natürlichen Killerzellen des Immunsystems fokussiert, die früh in der Viren-Abwehr aktiv werden. Bei Sars-CoV-2 zeigte sich, dass eine Mutation in einem Rezeptor dieser Killer-Zellen die Schwere des Verlaufs beeinflusst.

Ein schwerer Verlauf von Covid-19 hat also genetische Ursachen?

Durchaus. Verschiedene genetische Faktoren im Menschen sind mit schweren Virusinfektionen verknüpft. Individuelle genetische Profile kommen mit bestimmten Viren schlechter zurande. Wenn die Immunantwort genetisch bedingt gegen bestimmte Viren weniger gut funktioniert, haben die Viren bessere Chancen. Vielleicht können wir in Zukunft, wenn wir alle Faktoren dieses Profils kennen, unser genetisches Risiko für Viruserkrankungen testen lassen.

Wie hat das Coronavirus Ihre Arbeit verändert?

Es hat unser Fach unglaublich in den Vordergrund gerückt und unser Arbeitsleben dramatisch intensiviert. Unser ganzes Institut wurde massiv in die Medien und in die Beratung geholt.