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Pulverlschlucker -oder was?

Von Christa Karas

Wissen

Sind wir ein Volk von Pulverlschluckern? Nein, ganz im Gegenteil: Die Österreicher nehmen weniger Medikamente als viele andere Europäer. Laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts der Wirtschaftsuniversität Wien (erhoben im Jahr 2003) liegt der Pro-Kopf-Verbrauch der Österreicher bei 20,7 Packungen pro Jahr, während er zum Beispiel in Frankreich mit 50,8 mehr als doppelt so hoch ist. Was sagt uns das?


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Die Apothekerkammer wies jüngst in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gerade in Österreich sehr sorgfältig mit Medikamenten umgegangen werde und trat damit einer Online-Umfrage entgegen, der zufolge die Österreicher sehr eifrige TablettenschluckerInnen wären.

Packungsverbrauch

Die Apothekerkammer: Im europaweiten Vergleich liege Österreich gemessen an verkauften Medikamentenpackungen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Die Griechen verbrauchen z.B. 27,5 Medikamentenpackungen pro Jahr, die Italiener 27,2, die Spanier 26,4, die Portugiesen 23,8 und die Belgier 22,7. Was hier allerdings nicht erwähnt wurde ist, dass der Packungsinhalt in vielen Ländern deutlich geringer ist - etwa zehn statt 20 Stück bzw. niedrigere Wirkstoffkonzentrationen -, so dass der Erwerb weiterer Packungungen oft notwendig ist.

Das Gesundheitsportal www.gesund.co.at sieht dies ohnehin anders: In Zeiten, in denen der Zugang zu Medikamenten immer unkomplizierter, die Bereitschaft sie einzunehmen immer größer, sowie die Palette der Einsatzgebiete immer breiter werde, wachse die Gefahr des Missbrauches ebenso, wie die Möglichkeit, dass sich verschiedene Medikamente untereinander in ihrer Wirkung beeinträchtigen.

"Wie oft greifen Sie zu Medikamenten?" So lautete daher die aktuelle Umfrage des Portals im Juli 2004, an der insgesamt 634 Personen teilnahmen. Fazit: 22,4 Prozent der Befragten gaben an, täglich zu Medikamenten zu greifen, 5,4 Prozent nehmen zumindest einmal pro Woche und weitere 8,7 Prozent zumindest einmal im Monat welche ein.

Andere Interpretation

Weiters gaben gleich 53,5 Prozent der Befragten an, Medikamente nur im Krankheitsfall einzunehmen, sowie rund zehn Prozent, dass sie keinerlei Medikamente oder bloß homöopathische anwenden.

Bei den am häufigsten verwendeten Medikamententypen rangierten in der Umfrage des Gesundheitsportals die Schmerzmittel mit 22,9 Prozent unangefochten auf dem ersten Platz, gefolgt von "Naturheilmitteln" und "Hausmitteln" (14,9 Prozent), Herz-Kreislaufmedikamenten (13,1 Prozent), Nahrungsergänzungsmitteln (9,1 Prozent) und homöopathischen Spezialitäten (7,5 Prozent). Bei zwischen drei und fünf Prozent liegen diverse Beruhigungsmittel, Mittel gegen Hautausschläge/Ekzem (meist Salben), Antibiotika sowie Schlaf- und Abführmittel.

Interpretiert man die Umfrage also danach - und dabei muss man noch nicht einmal berücksichtigen, dass viele der genannten Mittel ohne Effekt sind und die Bezeichnung "Medikament" nicht verdienen -, so ist die Aussage des Gesundheitsportals "Medikamentenkonsum in Österreich unverändert hoch" keineswegs gerechtfertigt und die Apothekerkammer bestätigt. Weit bedenklicher sind da die anderen Umfrageergebnisse:

Diesen zufolge konnten 23.7 Prozent der Befragten nicht angeben, wogegen das eingenommene Medikament wirkt, 17.8 Prozent kannten zwar den Namen des Mittels, hatten aber den Beipackzettel nicht gelesen, und 48.4 Prozent konnten die Namen der von ihnen innerhalb der letzten drei Monate verwendeten Medikamente nicht spontan angeben, ohne auf der Verpackung nachzusehen.

Die Apotheker verweisen unterdessen darauf, dass das Angebot neuer Arzneimittel stetig steige und man dem Rechnung trage: Um das Bewusstsein für "die besondere Ware Arzneimittel" zu schärfen, hat die Gesundheitsorganisation WHO ein Projekt initiiert, dem sich auch die Österreichische Apothekerkammer angeschlossen hat.