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Punjab - Pakistans größte Provinz in Aufruhr

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Polarisierung nach Urteil des Obersten Gerichts. | Unruhen bedrohen Kampf gegen Terror. | Neu Delhi. Soldaten patrouillieren auf den Straßen von Lahore, Pakistans Wirtschaftsmetropole im Nordosten des Landes. Die Behörden fürchten weitere Krawalle, nachdem das Höchste Gericht in Islamabad die beiden Sharif-Brüder von allen politischen Ämtern verbannt hat.


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Seit vier Tagen nun verwaltet ein Gouverneur die reiche und politische wichtige Punjab-Provinz, nachdem Shahbaz Sharif sein Amt als Ministerpräsident der Provinz niederlegen musste. Seither brodelt die Wut in der Sieben-Millionen Stadt: Demonstranten stecken Autoreifen und Fahrzeuge in Brand. Sie schlagen und treten mit Schuhen auf Bilder von Präsident Asif Ali Zardari ein. Händler haben ihre Geschäfte verrammelt. Schulen sind sicherheitshalber geschlossen.

Das Urteil des Obersten Gerichtes kommt nicht überraschend. Die Richterbank befand, dass Nawaz Sharif, der Führer der Muslim-Liga-N, und sein Bruder Shahbaz wegen anhängiger Rechtsverfahren nicht bei Wahlen für politische Ämter antreten dürfen. Damit ist die politische Karriere der Sharif-Brüder vorerst beendet. Die Sharifs sind im Punjab, ihrer Heimat, populär; auch die Regierung von Shabaz genoss Rückhalt und Respekt beim Volk. Ähnliches lässt sich von Zardari, dem Präsidenten des Landes und dem Chef der Pakistanischen Volkspartei nicht sagen. In Umfragen ist er schon fast genauso unbeliebt wie Ex-Präsident Pervez Musharraf nach seiner achtjährigen Militärherrschaft.

Es seien "falsche Richter", die das Urteil gesprochen haben, klagt Nawaz Sharif und wirft Zardari vor, ihn und seine Partei betrogen zu haben. Die höchsten Juristen sind in Pakistan in der Vergangenheit oft mehr ein Spielball der Politik als eine Quelle der Gerechtigkeit gewesen.

Höchstrichter auf Zardari angewiesen

Der Chef des Obersten Gerichts, Abdul Ahmed Dogar, hegt in der Tat Sympathien für den Präsidenten, denn sein Amt steht und fällt mit dessen politischem Schicksal. Dogar hat seinen Posten Ex-Präsident Musharraf zu verdanken, der die Richterbank komplett austauschen ließ, um seine Wiederwahl rechtlich abzusichern. Seit mehr als einem Jahr protestieren Anwälte im ganzen Land für die Wiedereinsetzung der alten Richter. Das wiederum will Zardari nicht, dem Musharraf eine Amnestie vor Strafverfolgung gewährt hat, denn er muss fürchten, dass die von Musharraf geschassten Richter die Amnestie zurücknehmen und damit seine politische Karriere beenden.

Der Pferdehandel vor Gericht wird dem Protest der Anwälte neue Schärfe verleihen: Für den 12. März sind Massendemonstrationen und ein "langer Marsch" in die Hauptstadt Islamabad geplant. Die Sharif-Partei will die Juristen nach Kräften unterstützen. Zardari spekuliert darauf, im Punjab eine neue Allianz zu schmieden, um die Sharif-Partei dort in die Opposition zu zwingen. Auch wenn in das gelingen sollte, wird sich die Lage in der Provinz kaum beruhigen. Der Richterspruch fordere das Chaos heraus, befand die Zeitung "The News".

Rücksichtslose Machtpolitik hat stets demokratische Regierungen in Pakistan geschwächt. Doch die Atommacht steht im Moment mit beiden Füßen am Abgrund. Taliban-Kämpfer beherrschen nach einem Friedensabkommen mit der Regierung das Swat-Tal, die USA bombardieren unbarmherzig Ziele im Grenzgebiet zu Afghanistan, die Wirtschaft ist in der Dauerkrise.

Der Richterbann der Sharif-Brüder dürfte die Stabilität noch weiter unterminieren. Falls sich die Situation im Punjab weiter anheizt und die pakistanische Armee dort für Sicherheit sorgen muss, könnte das als willkommene Entschuldigung dienen, pakistanische Truppen aus dem Grenzgebiet zu Afghanistan abzuziehen, wo das Militär gemeinsam mit den USA einen wenig beliebten Krieg gegen islamische Extremisten führt.