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Punktgenaue Seifenblasen

Von Judith Belfkih

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Rap und Hip-Hop sind in den USA zuhause, Jamaika ist die Hochburg des Reggae, und Finnen lieben Heavy Metal. Nationale Musikklischees halten sich hartnäckig. Wohl auch deshalb, weil sie mehr als nur einen Funken Wahrheit in sich tragen. Linzer Computerwissenschafter haben nationale musikalische Vorlieben - über das User-Verhalten auf Streaming-Plattformen - untersucht und dabei großteils bestätigt gefunden. Mehr noch: Über die Diversität des kollektiven Musikgeschmackes einer Nation konnten sie Rückschlüsse auf den Index der Pressefreiheit und das Vertrauen der Bürger in ihre Parlamente ziehen. Je freier eine Gesellschaft, desto bunter der Musikmix, so die Analyse.

Die gleichen Forscher arbeiten auch daran, Musikvorschläge für Hörer immer präziser und punktgenauer machen zu können. Also über Datenanalyse den Musikgeschmack einer Person vorhersagen zu können. Finden, ohne zu suchen, heißt auch hier der Trend.

Das Netz der Algorithmen, das unsere digitale und damit auch die Wahrnehmung der realen Welt steuert, wird von Tag zu Tag dichter. Den Kopf hier aus der Filterschlinge zu ziehen, ist - bei gleichzeitiger Nutzung der digitalen Errungenschaften - kaum noch möglich. Der Mensch scheint sich selbst immer mehr in die selbst entworfene Falle zu gehen. Beobachtet, analysiert, optimiert und punktgenau ins Visier genommen von Werbern und anderen Ideologen.

Optimismus zeigt sich da vor allem in der stillen Hoffnung, dass es dem Menschen gelingen werde, neben all den Blasen auch die Nadel zu entdecken, um sie zum Platzen zu bringen.