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Moskau - Das Ende der OSZE-Tschetschenien-Mission ist die Konsequenz der harten Kaukasus-Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Damit verlassen unabhängige Zeugen von Menschenrechtsverletzungen der Armee das Schlachtfeld. Verhandlungslösungen, wie sie 1996 noch möglich waren, sind in der Ära Putin keine politische Option. Das von Moskau angekündigte Referendum und die Präsidentenwahl werden von Beobachtern denn auch als pseudo-demokratische Fassade gewertet.
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Trotz diesem Plan für einen "Frieden ohne Verhandlungen" dürfte Putin auch künftig mit eiserner Faust gegen die Rebellen vorgehen. Internationale Vermittler oder gar nur Zeugen sind da eher lästig. Im Rahmen der russischen Leseart des "Kampfes gegen den Terrorismus" gebe es für Putin keinen Unterschied mehr zwischen gemäßigten und militanten Tschetschenen, sagen Beobachter. Jeder Tschetschene gelte in Moskau als Terrorist, mit dem keine Kompromisse möglich sind.
Dieses Schwarz-Weiß-Bild des Kreml zeigte sich mit aller Deutlichkeit bei der Verhaftung des Tschetschenen-Vertreters Achmed Sakajew. Der als eher gemäßigt geltende Vertreter von Präsident Aslan Maschadow nahm in Dänemark an einer internationalen Tschetschenien-Konferenz teil. Die russischen Behörden warfen ihm vor, an der Geiselnahme im Musical-Theater in Moskau beteiligt gewesen zu sein. Stichhaltige Beweise konnten sie allerdings nicht liefern.
Die jüngsten Signale der Tschetschenen, dass sie zu echten Verhandlungen bereit seien und nun nicht mehr unbedingt auf der tschetschenischen Unabhängigkeit bestehen würden, blieben in Moskau ungehört. Stattdessen intensivierte die russische Armee ihre Operationen in und um Grosny.
Mit der Abreise der OSZE-Beobachter erlischt ein Symbol für eine andere Art der Konfliktlösung. 1996 war es der Mission unter dem Schweizer Diplomaten Tim Guldimann nämlich gelungen, die Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen und einen Waffenstillstand zu vereinbaren.
Ein Ende des blutigen Krieges ist trotz der russischen Entschlossenheit, die Autonomie-Bestrebungen mit Panzern und Menschenrechtsverletzungen niederzuwalzen, nicht absehbar. Der "David" bleibt auch künftig fähig, mit Terroranschlägen dem russischen "Goliath" die Stirne zu bieten. Dies zeigte der blutige Anschlag auf das Regierungsgebäude in Grosny mit aller Deutlichkeit.
Auf der Verliererseite bleibt die Zivilbevölkerung, die den höchsten Blutzoll entrichten muss. Im Zeichen von Putins Version des Krieges gegen den Terrorismus leidet sie unter der katastrophalen Menschenrechtslage und der halbkriminellen Kriegswirtschaft.