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Man muss nicht so weit gehen wie der ehemalige deutsche Kanzler Helmut Schmidt, eine "wertegebundene Außenpolitik" für "abwegig" zu erachten. Konsequent zu Ende gedacht, blieben einem solchen Staat angesichts der allgegenwärtigen Verstöße gegen die Humanität nur zwei Optionen: ein freiwilliger Verzicht auf alle Mittel der Diplomatie und des wirtschaftlichen Austauschs, also Isolation, oder aber die - nicht zuletzt auch militärische - Bereitschaft zum Kreuzzug gegen alle Missetäter.
Weder das eine noch das andere würde die Welt zu einem besseren Ort und die Verantwortlichen auch nicht zu besseren Menschen machen, dafür ziemlich sicher zu schlechteren Politikern.
Mit Wladimir Putin stattet am Dienstag ein Reibebaum der Weltpolitik Österreich einen Staatsbesuch ab. Der Langzeitpräsident des russischen Riesenreichs dient seinen Gegnern wie seinen Anhängern als Projektionsfläche ihrer gesellschaftlichen wie politischen Ängste und Sehnsüchte. Für alle anderen ist Russland vor allem eines: ein geostrategischer Machtfaktor ersten Ranges, der noch dazu unmittelbar an die Europäische Union angrenzt.
Das macht Putin zu einem Akteur, an dem nicht nur Europa nicht vorbeikann, selbst wenn es wollte. Schließlich ist der kleine Kontinent geografisch nicht viel mehr als der Wurmfortsatz der großen asiatischen Landmasse. Das schafft Tatsachen ganz eigener Natur. In Ost- und Südosteuropa sowie in Nahost sind Frieden, Stabilität und Sicherheit nur mit Russland möglich, nicht gegen es.
Das ändert nichts daran, dass Russland zu oft eine Politik verfolgt, die gegen die Interessen Europas - die ideellen wie die politisch-wirtschaftlichen - gerichtet ist. Wie jede Großmacht versucht Moskau, die Innenpolitik anderer Staaten zu beeinflussen, meist verdeckt, immer öfter aber auch ganz offen. Das russische Vorgehen in der Ukraine, im Kaukasus und in Syrien steht in offenem Gegensatz zur Haltung der Union. Dagegen gilt es, sich mit gebotenen Mitteln zu wehren.
Im Umgang mit dem Iran und Nordkorea, vor allem aber bei der Energieversorgung ist Russland ein wichtiger Partner für Europa.
Wenn Österreich aufgrund seiner traditionell guten Beziehungen zu Moskau hier einen positiven Beitrag leisten kann, hat die "special relationship" ihre Berechtigung. Gemeinsame Beschlüsse der EU dürfen dabei nicht unterlaufen werden. Realpolitisch bringen nämlich nur die EU-Staaten genug Gewicht auf die Waage, um Russland zu beeindrucken.
Davon abgesehen sind Anbiederungen in Richtung Kreml einfach nur peinlich. Das gilt für Rechte wie FPÖ, Lega und AfD ebenso wie für Linke wie die gleichnamige deutsche Partei oder den US-Regisseur Oliver Stone.