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Putin kann den Westen auch ohne Atomkrieg zerstören

Von Eugen Freund

Gastkommentare
Eugen Freund war ORF-Journalist und von 2014 bis 2019 EU-Abgeordneter der SPÖ.
© privat

Der Friede wird, so oder so, noch länger auf sich warten lassen.


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Grüßer: Ja, Herr Major, mir möchten ja alle, dass der Krieg einmal aufhört und dass der Frieden kommt . . .Bambula von Feldsturm: Was, Frieden - hör’n S’ mir auf mit Ihrer Friedenswinselei (...) jetzt heißt es durchhalten, lieber Freund - da gibt’s nix!(Aus: Karl Kraus: "Die letzten Tage der Menschheit", 2. Akt, 17. Szene).

Mit einem "Manifest für den Frieden" haben Sara Wagenknecht, Alice Schwarzer und Jürgen Habermas in Deutschland eine Debatte losgetreten, die ja nicht erst seit heute überall widerhallt. Die da "drüben" - also Russland und die Ukraine - sollen endlich Frieden schließen, damit, ja, damit wir hier unsere Ruhe haben. Die Regierenden in Kiew sollen auf ein paar tausend Quadratkilometer ihres Territoriums verzichten, um endlich das Sterben von weiteren tausenden Menschen zu beenden. Oder, ein weiteres Argument der Friedensadvokaten: Die Eskalation (gemeint ist der westliche Waffenexport in die Ukraine) werde früher oder später in einen Atomkrieg führen. Und dann wären wir alle dran. Oder tot.

Timothy Snyder, ein bekannter US-Historiker, hat das kürzlich einen "Bluff" genannt: Russland, so Snyder, will uns glauben machen, dass es Atomraketen einsetzen würde, allein um uns damit in Angst und Schrecken zu versetzen. Und die Medien spielen mit, weil sie mit der Verbreitung von Angst ihr Geschäft machen.

Schon vor sechs Jahren habe ich vor einer Gruppe von EU-Diplomaten über eine andere Methode gesprochen, die darauf abzielt, westliche Demokratien zu zerstören: Die Machthaber im Kreml benutzen Soziale Medien, um ihre Ziele durchzusetzen. Hinter dem doppeldeutigen Akronym "RIOT" verbergen sich die "Russian Influence Operations on Twitter", also russische Einflussmaßnahmen auf Twitter. Hier wird ein selektiver Katalog westlicher Demokratien in "Fake News"-Manier vor dem Untergang, im Chaos und in Kriminalität dargestellt, während Russland (und der russische Präsident) als ein Hort der Stabilität präsentiert werden. Wobei zusätzlich zu den Cyberproduzenten in St. Petersburg (der Chef dieser Cyberwerkstatt, Jewgeni Prigoschin, Anführer der russischen Söldnergruppe Wagner, übernahm gerade dieser Tage nicht ohne stolz die geistige Urheberschaft für diese fragwürdige Institution) auch jene Trolls hervorzuheben sind, die gerade solche "Meldungen" zig-fach weiterleiten, die ihrem Narrativ besonders entsprechen.

Noch gefährlicher wären Cyberangriffe auf unsere Infrastruktur. Der in jüngster Zeit viel beschriebene Blackout ist kein Hirngespinst. Zu sehr sind beispielsweise Energieversorger verletzlich, weil miteinander vernetzt, Stromleitungen funktionieren ohne Computer überhaupt nicht. Schon vor dem jüngsten Krieg benutzte Russland seinen Nachbarn Ukraine als eine Art Laboratorium für die Anwendung von Hacking-Operationen, zum Beispiel bei der Störung der kritischen Ölleitungen. Es ist also hoch an der Zeit, dass sich der Westen - und damit auch Österreich - auf ähnliche Aktionen vorbereitet, ohne Hysterie, aber mit entsprechendem Nachdruck. Denn der Friede wird, so oder so, noch länger auf sich warten lassen.