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Die EU ist entstanden, als Europa ein Trümmerhaufen war. Nun ist die Ukraine drauf und dran, zu einem Trümmerhaufen zu werden, und erneut könnte die EU gestärkt daraus hervorgehen. In Polen wird ernsthaft überlegt, die Einführung des Euro zu beschleunigen, bis vor kurzem war in Warschau das Gegenteil zu hören. Für die "Kernzone" Europas wäre dies eine enorme Aufwertung.
Doch nicht die Attraktivität Europas ist Grund für das Umdenken, sondern es sind die Drohgebärden Russlands. Genau dies könnte auch der größte Fehler Wladimir Putins in seinem Machtpoker sein: dass die von Moskau ausgehende Aggression die Europäische Union stärker zusammenschweißt, als es die 28 Regierungschefs eigentlich wollen.
Und Russlands Pläne zur "Eurasischen Union" könnte bei der Europawahl auch genau jenen zum Verhängnis werden, die den russischen Präsidenten am lautesten verteidigen: den rechtspopulistischen und -extremen Parteien in den EU-Ländern.
Im Ernstfall ist es keine Frage, dass ein Leben in Freiheit ungleich höher einzuschätzen ist als ein Gaslieferungsvertrag der OMV. Russland will die Wahl in der Ukraine durch Destabilisierung des Landes verhindern, das hat Außenminister Sergej Lawrow in Wien unverblümt gesagt. Diese Wahl findet aber am 25. Mai statt, am selben Tag wie die EU-Wahl. Kein Zufall, gewiss.
Russland wird also in den kommenden Wochen interessiert sein, die Gewalt in der Ostukraine eskalieren zu lassen. Nur so kann diese Wahl unterbunden werden, die für Russland zwei Risiken birgt: Die Anhänger der faschistischen Bewegungen in Kiew dürften sich als viel schwächer herausstellen, als die Propaganda in Moskau dies darstellt. Und der Osten des Landes könnte verdeutlichen, dass die Mehrheit der Bevölkerung keinen Anschluss an Russland möchte, sondern eine eigenständige Ukraine.
Warum aber sollen die Europäer bei ihrer Wahl für Kandidaten vom rechten Rand stimmen, die Putin das Wort reden? Mit Ausnahme der Spezialsituation in Großbritannien könnte der Zulauf zu den rechten Parteien daher geringer ausfallen, als zuletzt befürchtet worden war.
Dazu braucht es schon jetzt klare Worte jener Parteien, die Europa nicht zerstören, sondern weiterbauen möchten. Und die werden klarer - mit jedem Schuss, der in der Ukraine fällt.