"Die Verantwortung für den Schutz Russlands war meine Aufgabe und wird meine Aufgabe bleiben", meinte Wladimir Putin in seiner Abschiedsrede im Kreml. Für viele Russen - und auch für seinen Nachfolger Dmitri Medwedew - muss dies wie eine Drohung geklungen haben. Denn geschützt hat Putin in seiner achtjährigen Amtszeit gemäß dem Motto "LÉtat cest moi" vor allem seine eigenen Interessen und die seiner korrupten Geheimdienstclique. Und die waren in erster Linie finanzieller Natur. | Putin und seine KGB-Kollegen brachten mit Willkürgesetzen, polizeistaatlichen Mitteln und Politjustiz die größten Öl- und Gaskonzerne unter ihre Kontrolle. Auch andere lukrative Wirtschaftsbranchen wurden zu "strategischen Sektoren" erklärt und nach und nach in Dependancen des Kremls, genauer der Putin-Vertrauten, verwandelt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Statt in die rückständige Infrastruktur sowie das marode Gesundheits-, Renten- und Sozialsystem flossen die Gelder vor allem in die Taschen der neuen Oligarchen. Die Monopolisierung hat sie reich gemacht: Gerade einmal 500 Firmen erwirtschafteten im Vorjahr 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Russland zählt mittlerweile 53 Milliardäre und führt somit die Weltrangliste an.
Die inoffiziellen Superreichen, die ihr Vermögen mit Hilfe intransparenter Offshore-Gesellschaften vor der Öffentlichkeit verbergen, sind da noch gar nicht eingerechnet. Zu ihnen gehört, wenn man Kreml-Insidern glauben darf, auch Wladimir Putin höchst selbst. Er soll Aktienanteile - etwa bei den russischen Energiekonzernen Surgutneftegaz und Gazprom - im Wert von 40 Milliarden Dollar in seinen Besitz gebracht haben, wie Russlands bekannter Politanalyst Stanislav Belkowski jüngst enthüllte.
Die künftige Doppelherrschaft mit Putin in der Rolle des mächtigen Premiers ist für die durch Korruption und Selbstbedienungsmentalität zu Wohlstand gelangte Kreml-AG die einzige Möglichkeit, sich die Futtertröge zu sichern und zu verhindern, dass ihre Machenschaften ans Licht geraten.
Dies verträgt sich kaum mit dem Programm, das Medwedew angeblich vorschwebt: Ende des Rechtsnihilismus, Investitionen in die Infrastruktur, Förderung des Mittelstandes und größere Pressefreiheit. Dazu müsste der neue Präsident sich aber von Putins schwerem Erbe lösen. Sonst werden die Worte reine Hülsen bleiben.
Seite 7
analyse@wienerzeitung.at