Rückkehr in den Kreml bereits im ersten Wahlgang wird wahrscheinlicher.
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Moskau. Es ist nicht anzunehmen, dass Wladimir Putins Wahlkampfteam den Termin zufällig ausgewählt hat: Am 23. Februar ist in Russland der "Tag des Verteidigers des Vaterlandes" angesetzt. Der arbeitsfreie Feiertag eignet sich offensichtlich ganz hervorragend dazu, die Botschaft des Premierministers und Präsidentschaftskandidaten an den Mann - und die Frau - zu bringen: Ich, Wladimir Putin, bin der Kandidat des Volkes, der Verteidiger des Vaterlandes.
Der russische Regierungschef hat seine Sprache wiedergefunden, nachdem er im Dezember nach dem für viele überraschenden Ausbruch von Massenprotesten gegen seine geplante Rückkehr in den Kreml noch recht perplex und strategielos gewirkt hatte. Statt sich eher nebulös als Präsident aller Russen zu gerieren, setzt Putin seit kurzem stärker auf Konfrontation - und versucht, seine Gegner, die am Sonntag wiederum protestieren wollen, seinerseits unter Druck zu setzen. Am Donnerstag versammelten sich zehntausende Putin-Unterstützer bei Schnee und Temperaturen um den Gefrierpunkt am Ufer der Moskwa. Unter Slogans wie "Verteidigen wir das Land" zogen sie zum Luschniki-Stadion, wo Putin auf einer blauen Wahlbühne seine Show abzog. "Der Kampf um Russland geht weiter. Wir werden siegen", erklärte Putin unter Verweis auf das Scheitern Napoleons seinen rund 130.000 Anhängern, von denen Oppositionelle munkeln, dass einige durch Drohungen mit Gehaltskürzungen zur Teilnahme an der im TV übertragenen Großveranstaltung bewegt worden seien. "Wir sind ein Sieger-Volk, das haben wir in den Genen", spielte Putin auf der Klaviatur des Patriotismus. Und, mit einer deutlichen antiamerikanischen Spitze: "Wir lassen es nicht zu, dass jemand sich in unsere inneren Angelegenheiten einmischt, uns seinen Willen aufzwingt, denn wir haben unseren eigenen Willen! Wir sind das multinationale, jedoch starke und einige russische Volk."
Putins Werte steigen wieder
Die Botschaft scheint anzukommen: Nachdem Putins Zustimmungsraten Ende letzten Jahres noch im Sinkflug waren, steigen seine Werte seit Jahresbeginn kontinuierlich an. Dazu beigetragen hat wohl auch, dass russische Medien auf breiter Front über die Probleme in Libyen und Ägypten berichten. Gerne wird auch an die fehlgeschlagene Orange Revolution in der Ukraine erinnert, daran, wie die Wirtschaft in Kiew unter dem von den USA protegierten Wiktor Juschtschenko eingebrochen ist. Anfang Februar brachte der Sender NTV einen mit dramatischer Musik untermalten Bericht, der russische Oppositionelle auf dem Weg in die US-Botschaft zeigte. Dort wartete der neue US-Botschafter Michael McFaul - ein Mann, der sich in einem Interview mit dem russischen Nachrichtenportal slon.ru als "Spezialist für Demokratie, Anti-Diktatur-Bewegungen und Revolutionen" bezeichnete. Der Sender fragte anspielungsreich: "Warum sind diese Leute in die amerikanische Botschaft gegangen?", der Beitrag erschien unter dem Titel "Das Ausland hilft ihnen".
Für Putin dürfte sich der Kurs des nationalen Schulterschlusses, der in Russland meist Erfolg verspricht und seinen Grund in der bewegten Geschichte des Landes hat, jedenfalls auszahlen: Politologen halten es für möglich, dass der Premier im ersten Wahlgang am 4. März zum Präsidenten gewählt wird. Danach, so der Tenor, wird er sich aber jedenfalls vermehrt um diejenigen kümmern müssen, denen der patriotische Appell nicht reicht: um die Mittelschicht, die die Proteste trägt - und deren Exodus Russland um seine besten Köpfe bringt.