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Putin tauscht Kreml-Elite aus

Von WZ-Korrespondent Axel Eichholz

Politik

Der russische Präsident hat mit Sergej Iwanow wieder einen Vertrauten abmontiert.


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Moskau. (ce) Der Rücktritt von Wladimir Putins Präsidialamtschef Sergej Iwanow hat Russlands politische Szene einmal mehr aufgewühlt. Iwanow ist zwar nicht der erste alte Weggefährte, von dem sich der Präsident in letzter Zeit trennte. Iwanow hatte aber ein besonderes Verhältnis zu ihm. Die beiden hatten zusammen in St. Petersburg bei der Ersten Hauptverwaltung des KGB (Spionage) gedient. Als Putin Geheimdienstchef wurde, holte er seinen alten Freund zu sich nach Moskau.

Vor der Präsidentenwahl 2008 galt Iwanow als designierter Nachfolger Putins. Der entschied sich im letzten Moment jedoch für den harmlosen Dmitri Medwedew.

Zweifel an der offiziellen Version

Als Putin den Personalwechsel im Kreml bekanntgab, suchte er sichtbar den Eindruck zu vermeiden, Iwanow werde in die Wüste geschickt. Bei seiner Amtseinsetzung habe sich Iwanow ausbedungen, dass er längstens vier Jahre Präsidialamtschef bleiben werde, sagte der Präsident vor den Fernsehkameras. Jetzt seien bereits vier Jahre und acht Monate um, so Putin. Seinen Nachfolger Anton Waino habe Iwanow selbst vorgeschlagen.

Er sei mit der Arbeitsweise seines Freundes sehr zufrieden, betonte der Präsident. Der scheidende Beamte versicherte, er werde sich seiner neuen Aufgabe genauso "aktiv" widmen. Iwanow wird Sonderbeauftragter des Präsidenten für Natur- und Umweltschutz sowie Transport - ein Amt, das eigens für ihn geschaffen wurde. Es ist deshalb wenig überraschend, dass niemand die offizielle Version seiner Ablösung glaubt. Der Präsidialamtschef gilt in Russland als der zweite Mann des Landes. Es spielt wie einst das Zentralkomitee (ZK) der Kommunistischen Partei der Sowjetunion die Rolle einer wichtigeren Zweitregierung. Es sitzt auch in den Räumen des früheren ZK. Kein Mensch werde dieses Amt freiwillig gegen das des Umweltbeauftragten eintauschen, heißt es.

Einige Kremlkenner zählen Iwanows Schnitzer auf. Er habe als Verteidigungsminister und Vizeregierungschef offenkundig versagt, sagen sie. Andere leiten daraus ab, dass Putin mit Iwanows Absetzung eine vorgezogene Präsidentenneuwahl vorbereite. Diese solle nach der Wahl des US-Präsidenten im November, aber schon 2017 und nicht wie geplant 2018 stattfinden. Deshalb hole er die neue Generation der "jungen Wölfe" in den Kreml, der unter anderem sein bisheriger Protokollchef Anton Waino angehöre.

Als Tatsache bleibt Putins Trennung von seiner alten Garde. Zuerst wurde der Chef der russischen Eisenbahnen Wladimir Jakunin abgesetzt, dann der frühere mächtige Leiter des Föderalen Wachdienstes Jewgeni Murow und der Chef der Drogenkontrollbehörde Viktor Iwanow.

Dessen Rücktritt war von langer Hand vorbereitet worden. 2008 musste Viktor Iwanow als informeller Personalchef des Kremls gehen und wurde Chef der Drogenbehörde. 2016 schlug Putin die Behörde dem Innenministerium zu und schickte Iwanow in Pension. Putin habe beschlossen, jene Mannschaft, die er im Jahr 2000 mitgebracht hatte, jetzt aufzugeben. "Ich habe das Gefühl, dass diesen Vier weitere folgen werden", meint der Direktor des Zentrums der politischen Technologien Igor Bunin.

Vor 25 Jahren putschtedas Sowjet-Militär

Eine neue Beamtengeneration sei herangewachsen, die eine Welt ohne Putin gar nicht kenne und wünsche. Deshalb trenne er sich von alten Weggefährten. Nach Bunins Meinung fürchtet Putin eine "Breschnewisierung" seiner Umgebung. Wenn er in Gesellschaft von 65- bis 70-Jährigen bleibe, werde die Erinnerung an den greisen Generalsekretär im Volksbewusstsein wieder wach. Es sei nicht nur das groteske Bild aus sowjetischen Witzen. Das "Altenheim", wie das Politbüro der letzten Sowjetzeit spöttisch bezeichnet wurde, habe das Land samt dem politischen System zum Einsturz gebracht.

Den Systemwechsel hat Michail Gorbatschow gebracht. Genau vor 25 Jahren, am 19. August 1991, wollten Militär und Geheimdienst mit einem Putsch in der Sowjetunion allen seinen Bemühungen ein Ende bereiten. Panzer rollten in Moskau, Gorbatschow saß unter Hausarrest auf der Halbinsel Krim. Doch Hunderttausende Bürger in Moskau und Leningrad gingen auf die Straßen. Die Zeit des russischen Präsidenten Boris Jelzin war gekommen.