Russlands neuer alter Präsident setzt auf Rüstung als innenpolitische Allzweckwaffe und Machtpolitik gegen die "Bedrohung von außen".
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Angesichts des eklatanten Reformstaus in Russland reduziert sich Präsident Wladimir Putins innenpolitischer Handlungsspielraum merklich, was ihn wiederum zu einem verschärften Kurs in der Außenpolitik antreiben könnte. Putin versprach im Wahlkampf ein in diesem Umfang noch nie dagewesenes Förderprogramm für die russischen Streitkräfte und die Modernisierung der Rüstungsindustrie. Dafür sollen in der nächsten Dekade 23 Trillionen Rubel (knapp 600 Milliarden Euro) ausgeschüttet werden (die russischen Gold- und Devisenreserven belaufen sich derzeit auf circa 380 Milliarden Euro).
Im Gegenzug sagt Putin der Korruption in der Rüstungsindustrie den Kampf an: "Korruption in Bereichen, die die nationale Sicherheit garantieren, kommt Staatsverrat gleich."
Sofort drängt sich die Frage auf: Und was ist mit der Korruption in zivilen Wirtschaftssektoren? Offen bleibt, wie er auch dort für Ordnung sorgen will, stehen doch in Russland internationale Großereignisse an wie die G20- und G8-Gipfel 2013 und 2014, die Olympischen Winterspiele 2014, die Eishockey-WM 2016 und die Fußball-WM 2018.
Je widersprüchlicher folglich die Argumentation der russischen Führung, allen voran Putins, desto widersprüchlicher wird auch der außenpolitische Kurs Russlands ausfallen. Die Kakophonie der russischen Diplomatie in Bezug auf Libyen und das Tauziehen um Syrien und das iranische Atomprogramm bestätigen dies nur.
In letzter Zeit hob Putin die Rolle regionaler Konflikte im System der internationalen Sicherheit hervor und bezeichnete diese als Zonen der Instabilität, die gemäß der in russischen Machtzirkeln kursierenden "Theorie des kontrollierten Chaos" künstlich angeschürt werden. Putin geht davon aus, dass Einmischungsversuche von außen dazu dienen, Konflikte in unmittelbarer Nähe der russischen Grenzen zu provozieren.
Das Rüstungsprogramm sieht auch vor, ein einheitliches Luft- und Weltraum-Abwehrsystem zu schaffen. Die Stationierung des US-Raketenabwehrschilds in Zentraleuropa (mit der Kommandozentrale im deutschen Ramstein) und die Nato-Osterweiterung sind Putin ein Dorn im Auge. Der Präsident ließ schon verlauten, dass Russlands militärische Antwort auf den globalen Raketenabwehrschild - insbesondere auf die Elemente in Europa - effektiv und asymmetrisch ausfallen werde. Demonstrativ blieb Putin dem G8-Gipfel in Camp David fern, seine ersten Staatsbesuche galten dafür Weißrussland, Usbekistan, China und Kasachstan; auf dem EU-Russland-Gipfel in Sankt Petersburg zementierten beide Seiten ihre Positionen in Sachen Syrien und Visa-Regime ein.
Putin ist der festen Überzeugung, dass die Restauration russischer Größe nur über eine Modernisierung der Rüstungsindustrie erfolgen kann. Diese fixe Idee drängt Russlands Staatshaushalt in Abhängigkeit zur Aufrüstung - ein altes Muster, das schon die Wirtschaft der Sowjetunion ruinierte. Und sollte Putin sein Wahlversprechen nicht einlösen, würde er weiter an Glaubwürdigkeit einbüßen - was eine weitere Spirale außenpolitischen Großmachtgehabes auslösen würde.