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Putins Großangriff auf die NGOs

Von Ines Scholz

Politik

Demokratieabbau durch Kontrolle total. | Moskau. Die Demontage der Demokratie in Russland schreitet weiter voran. Als jüngstes Projekt nahm sich Präsident Wladimir Putin die totale Kontrolle der Bürger- und Menschenrechtsorganisationen vor. Am Mittwoch passierte in erster Lesung miit 370 zu 18 Stimmen ein Gesetzesentwurf das Parlament, der Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) völlig unter staatliche Kontolle stellt. Alle NGOs und gemeinnützigen Vereinigungen -auch die bereits bestehenden - werden darin verpflichtet, sich bei einer speziellen Staatskommission registrieren zu lassen und ihre Finanzen offen zu legen.


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# Pure Willkür?

Viele Gruppierungen fürchten nun um ihre Existenz. Denn bei der Entscheidung über Zulassung oder Verbot wird den Beamten großer Spielraum eingeräumt. So reicht es, wenn diese befinden, dass eine (nicht genehme) NGO "extremistische Ziele" verfolgt - ein dehnbarer Begriff in Putins Law-and-Order-Staat.

Ausländische Stifungen und Organisationen dürfen dem Gesetz zufolge überhaupt keine ausländischen Vertretungen mehr unterhalten, sondern müssen eigenständige Tochterorganisationen in Russland gründen. Dort dürfen mit wenigen Ausnahmen nur noch Russen angestellt werden.

Von Leitungsfunktionen in NGOs ausgeschlossen werden verurteilte Rechtsbrecher wie der einstige Ölmagnat Chodorkowski, der sich mit Putin angelegt hatte und danach für acht Jahre hinter Gitter wanderte.

Was von offizieller Seite als Kampf gegen Geldwäsche gepriesen wird, soll de facto verhindern, dass oppositionelle Bürgerbewegungen einen Machtwechsel nach georgischem oder ukrainischem Vorbild erkämpfen, sind sich viele Beobachter einig. Putin selbst hat am Donnerstag einen derartigen Verdacht indirekt bestätigt: das Ausland benutze die Organisationen für politische Ziele, weshalb deren Aktivitäten durchsichtiger werden müssten. Eine Aushöhlung der Zivilgesellschaft wies er zurück.

Manche sind gleicher

"Einen anrüchigeren Gesetzesentwurf hat es in dieser Duma noch nicht gegeben", empörte sich hingegen Ella Pamfilowa, Vorsitzende des Menschenrechtsrates. Die Gesetzesinitiative kritisierten auch der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Wladimir Lukin, 1.300 NGOs, die eine Petition überreichten sowie eine Handvoll Bürgerrechtler, die am Mittwoch vor der Duma mit der Parole "Polizeistaat Russland" protestiert hatte. Ihnen droht nun ein Strafverfahren wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" . Anfang November hatte vor dem Kreml die rechtsextreme "Eurasische Union der Jugend" Flugblätter verteilt: Wer im Kampf ums "Dritte Imperium" nicht bereit sei zu töten, der sei "ein Stück Dreck". Belangt wurde niemand.