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Putins Interessen in Syrien

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und

Die Fronten zwischen Russland und den USA haben sich wieder verhärtet. Russland würde vom Machterhalt Bashar al-Assads in Syrien profitieren.


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Die Vereinigten Staaten und Russland konnten sich also auf einen UNO-Resolutionsentwurf zum Konflikt in Syrien einigen, der Präsident Bashar al-Assad zur Aufgabe aller Chemiewaffen verpflichtet. Dem war Russland lange Zeit skeptisch gegenübergestanden, da der Westen durch einen solchen Beschluss auch ein mögliches militärisches Eingreifen legitimieren will.

Wie viele Skeptiker zweifelt auch der russische Präsident Wladimir Putin an der offiziellen Version, dass das Giftgas, dem vor allen Frauen und Kinder zum Opfer fielen, von den Truppen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad eingesetzt wurde. Augenzeugenberichten zufolge waren viele Kinder wenige Wochen vor den Giftgasanschlägen von Rebellen entführt und dann von ihren Eltern als Opfer auf Bildern identifiziert worden. Während Frankreichs Präsident François Hollande sich erstmals bereit erklärt hat, die Rebellen mit Waffen zu versorgen, hatte Putin in einem Artikel die Hegemonialrolle der USA scharf kritisiert. Diese stelle eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Allem Anschein nach haben sich die Fronten zwischen den USA und Russland durch die ungelöste Syrienfrage also verhärtet - daran hat wohl auch die Einigung auf einen Resolutionsentwurf nichts geändert.

Wie aber kann Russland selbst vom Machterhalt des syrischen Präsidenten Assad profitieren? Schon im Kalten Krieg waren Syrien und Russland enge Verbündete. Hafez al-Assad, der Vater von Bashar al-Assad, modernisierte sein Militär dank sowjetischer Hilfe. Abgesehen von einem starken Solidaritätsgefühl bietet das Assad-Regime für Russland einen guten Absatzmarkt für Waffen, der auf vier Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Mit dem Zugang zu seiner Marinebasis im syrischen Hafen Tartus konnte sich Russland einen wichtigen strategischen Knotenpunkt im Mittelmeer aneignen, den es nicht aufgeben will. Doch auch seine exzellenten Wirtschaftsbeziehungen, die vor allem durch das russische Erdgasunternehmen Stroitransgaz in Syrien gefestigt sind, sieht Präsident Putin derzeit gefährdet.

Kampflos wird Russland also seinen "Anker" in Syrien - und somit im Nahen Osten - nicht lösen. Die wohl beste Lösung für alle ist der diplomatische Weg über die Vereinten Nationen, den Präsident Putin jetzt gehen will. Nicht mit Fäusten, sondern mit Vernunft will er die Welt von der Unsinnigkeit eines neuen Krieges in Syrien überzeugen. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich von seinem amerikanischen Gegenüber, das seine Glaubwürdigkeit mit den Einsätzen im Irak seit 2003 und in Libyen 2011 schon längst verspielt hat.

Und trotzdem bleibt für Syriens Präsident Assad die Frage offen, ob ihm trotz seiner Kooperationsbereitschaft mit dem Westen nicht ein ähnliches Schicksal widerfahren wird wie dem libyschen Machthaber Muammar Gaddafi. Auch dieser hatte 2003 auf seine chemischen Waffen verzichtet und sich mit Europa und den USA versöhnt, bis er islamistischen Rebellen zum Opfer fiel, während der Westen zusah.