In Russland gibt es mittlerweile kaum einen Wirtschaftssektor, in dem die Brüder Rotenberg nicht mitmischen.
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Moskau. Dieser Tage kommt in Russland ein neues Buch auf den Markt. "Die Kunst des Judo - vom Spiel zur Meisterschaft. Das Buch für kleine Judoka." Es soll nicht nur in Buchläden, sondern auch in russischen Schulen aufliegen: Dort sollen auch sieben Millionen Exemplare des Lehrbuches verteilt werden. Die Autoren: zwei Judo-Lehrer - der Oligarch Arkadij Rotenberg und niemand Geringerer als der russische Präsident, Wladimir Putin, selbst.
Judo ist nicht die einzige Meisterschaft, die Co-Autor Arkadij und sein jüngerer Bruder Boris Rotenberg beherrschen. In den vergangenen Jahren sind die beiden Brüder, Jugend-Freunde und Judo-Partner Putins aus der St. Petersburger Zeit, zu den einflussreichsten Oligarchen Russlands aufgestiegen. Ob Straßenbau, Lehrbücher, Banken oder Mautsysteme: In Russland gibt es mittlerweile kaum einen Sektor, in dem die Rotenbergs nicht kräftig mitmischen.
Aufträge in Milliardenhöhe
Der kometenhafte Aufstieg der Rotenbergs fällt vor allem in die dritte Amtszeit Wladimir Putins seit 2012. Die Rotenbergs sind Putins Männer fürs Große: Schwindelerregende Staatsaufträge in Milliardenhöhe haben sie in den vergangenen Jahren vor allem über ihr gemeinsames Unternehmen "Strojgasmontasch", das sich insbesondere als Gazprom-Zulieferer für Röhren einen Namen gemacht hat, an Land gezogen. Mit der Annexion der Krim sind die Brüder zudem mit dem Bau einer 19 Kilometer langen Brücke über die Meerenge von Kertsch beauftragt worden. Jene Brücke, die bis 2018 die annektierte Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbinden soll. Kostenpunkt: vier Milliarden Euro.
Doch auch fernab der Baustellen haben die Brüder Rotenberg ihre Tätigkeit ausgebaut. Arkadi Rotenberg, promovierter Pädagoge, ist seit 2013 Vorsitzender des Verlages "Proweschtschenije" (zu Deutsch: Aufklärung).
In diesem Jahr hat die Bildungsabteilung Moskaus den Schulleitern den Kauf der Schulbücher des Verlags ans Herz gelegt. Laut Daten der russischen Zeitung "Kommersant" soll der Rotenberg-Verlag seinen Anteil an der Moskauer Schulliteratur von 0,23 Prozent im Jahr 2013 auf 93,2 Prozent im Jahr 2015 ausgeweitet haben. Auch das Judo-Buch ist im Rotenberg-Verlag erschienen.
Überhaupt zieht sich die Verbindung zum Sport wie ein roter Faden durch die Geschichte der Rotenbergs - privat wie wirtschaftlich. Arkadi und Boris Rotenberg waren Putins Judo-Partner im St. Petersburg der Sechziger. Boris’ Sohn ist Hockey-Spieler, Arkadijs Sohn ein Fußballprofi.
Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 wurden dem Brüderpaar Projekte im Auftragswert von 7,4 Milliarden Dollar übertragen. Das sind 15 Prozent aller Aufträge für die Olympischen Spiele, bestätigt auch Forbes Russland in einem Bericht. Die Olympischen Spiele waren mit rund 50 Milliarden Dollar die teuersten Olympischen Spiele aller Zeiten. Boris Rotenberg ist zudem seit 2013 Präsident des Fußballclubs Dynamo Moskau und Vizepräsident der russischen Judoföderation.
So sehr die Brüder Rotenberg unter der Amtszeit Putins profitiert haben, so sehr haben sie dennoch unter der aktuellen Wirtschaftskrise zu leiden. Es wird geschätzt, dass das Vermögen der Brüder infolge des Kursverfalls des Rubels und den Aktieneinbrüchen seit 2014 von 5,55 auf 2,95 Milliarden Dollar geschrumpft ist. Das legen Daten der Forbes-Liste nahe.
Die Brüder sind damit nicht allein: So sollen die 13 reichsten Russen, die zusammen rund 130 Milliarden Dollar besitzen, zu Beginn des Jahres allein innerhalb von zehn Tagen etwa elf Milliarden Dollar infolge des Ölpreisschocks verloren haben, schreibt Bloomberg in einer Analyse. Auf der Forbes-Liste der reichsten Russen liegen die Rotenberg-Brüder auf Rang 74 (Arkadij) und 75 (Boris).
Auf der EU-Sanktionsliste
Als enge Putin-Vertraute wurden die Rotenbergs 2014 auf die Sanktions-Liste der EU und der USA gesetzt und Vermögenssperren verhängt. In Italien wurden laut Reuters zudem Villen und Hotels im Wert von 39 Millionen Dollar konfisziert. Daraufhin wurde im russischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach im Ausland konfisziertes Eigentum von Russen aus staatlichen Geldern entschädigt wird ("Lex Rotenberg"). Im vergangenen Jahr konnten sich die Rotenbergs wieder Staatsaufträge in Höhe von 7,2 Milliarden Dollar sichern, inklusive dem Bau einer Pipeline für Gazprom in Sibirien.
Dass sie ihr Wirtschaftsimperium mit Riesenschritten ausbauen, ist freilich nicht immer auf die Zustimmung der russischen Bevölkerung gestoßen. Im vergangenen Winter haben Lkw-Fahrer gegen die Einführung eines neuen, teuren Mautsystems protestiert. "Platon", wie das System heißt, wird unter anderem von Arkadij Rotenbergs Sohn Igor betrieben. "Rotenberg ist schlimmer als der IS!", stand damals auf dem Plakat eines wütenden Lkw-Fahrers.
"Russland ist ein Land geworden, wo die Superreichen die größte Protektion vom Staat genießen", schreibt die Politologin Karen Dawischa in ihrem Buch "Putins Kleptokratie: Wer besitzt Russland?". Mittlerweile sollen 35 Prozent des Vermögens des Landes von den 100 reichsten Milliardären kontrolliert werden, schreibt Dawischa.