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Putins Nahost-Mission

Von Ines Scholz

Politik

Moskau setzt alles daran, den Nahen Osten nach eigenen Interessen umzugestalten - der Westen schaut zu.


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Moskau/Damaskus. Das Szenario erinnerte frappant an Georg W. Bushs Überraschungsauftritt im Irak am 1. Mai 2003, wenige Monate nach Beginn der Invasion. "Mission accomplished", hatte der damalige US-Präsident siegestaumeld verkündet - kurz darauf ging der Irak-Krieg erst richtig los. Die USA haben ihn schließlich verloren und unter seinem Nachfolger Barack Obama die Truppen unverrichteter Dinge abgezogen.

Vierzehn Jahre später war es Wladimir Putin, der einen unangekündigten Blitzbesuch auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt im syrischen Hmeimim nützte, um bekannt zu geben, dass "die Mission der russischen Streitkräfte erfüllt ist". Zugleich kündigte Putin einen umfangreichen Truppenabzug an.

Eine Blamage wie Bush im Irak hat der russische Präsident in Syrien nicht zu befürchten. Der Kampf um die Nachkriegsordnung könnte für alle Beteiligten aber auch im Bürgerkriegsland Syrien noch ungemütlich werden. Den "vollständigen Sieg" über die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien hatte der Kreml schon wenige Tage zuvor erklärt.

Der Syrien-Krieg hat Russland in der über Jahrzehnte US-dominierten Nahost-Region neues Gewicht verschafft. Dem gewitzten Strategen Putin gelungen ist, im Bündnis mit dem Iran und der Türkei den Westen aus dem Spiel zu katapultieren - und obendrein seinem engsten Verbündeten in Syrien, Machthaber Bashar al-Assad, das politische Überleben zu sichern. Der Westen hätte den alawitischen Diktator, der in Hmeimim lächelnd neben Putin posierte, gerne in die Wüste geschickt, doch Moskaus Militärbeistand beim Kampf gegen den IS und moderatere Rebellengruppen, die von Washington - halbherzig - unterstützt wurden, hat dies verhindert. Washington ist unter Donald Trumps Leitung daran, im Nahen und Mittleren Osten marginalisiert zu werden.

Die Militärintervention der aufstrebenden Großmacht Russland 2015 zugunsten des Assad-Regimes bediente in erster Linie geostrategische Interessen. Moskau konnte sich mit Rückendeckung aus Damaskus die Militärbasis in der syrischen Küstenstadt Tartus sichern - die einzige, die die Russen im Mittelmeerraum besaßen - der Vertrag stammte noch aus der Sowjetära. Mittlerweile steht Moskau mit Hmeimim ein zweiter Militärstützpunkt in der Küstenprovinz Latakia langfristig zur Verfügung. Erst im September wurde der Vertrag besiegelt, der Russland für 49 Jahre die Nutzungsrechte überlässt.

"Symbolischer" Truppenabzug hat begonnen

Dass Russland seine Truppen aus Syrien vollständig abziehen wird, sobald das Bürgerkriegsland unter den Kriegsfraktionen - Regime, moderate Rebellen und Kurden - friedlich aufgeteilt ist oder sich die einstigen Rivalen auf ein gemeinsames Staatengebilde einigen, glauben Beobachter nicht. Kommentatoren wie der bekannte russische Militäranalyst Pavel Felgenauer sprechen allenfalls von einem "symbolischen Rückzug", der in den kommenden Tagen öffentlichkeitswirksam inszeniert würde. Am Dienstag zeigte das Staatsfernsehen bereits erste Bilder von Uniformierten, die in Machatschkala, der Hauptstadt der Kaukasusrepublik Dagestan, aus zwei Militärmaschinen steigen. Laut Sprecherin handelt es sich um ein Bataillon der Militärpolizei. Auch zwei Tu-22M3-Bomber samt Besatzung seien nach Russland zurückgebracht worden, hieß es.

Rauer klingen da schon die Töne in den Moskauer Machtministerien. "Die russische Militärpräsenz im östlichen Mittelmeerraum ist nötig, um eine Machtbalance zu schaffen - und einen Interessensausgleich durchzusetzen, was wir nach dem Zerfall der UdSSR nicht mehr konnten", zitierte die russische "Gazeta" jüngst einen Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wollte.

In die neuen geostrategischen Nahost-Planspiele sollen auch Länder wie Ägypten oder - neuerdings - der Sudan eingebunden werden. Russland hat mit Kairo in den vergangenen zwei Jahren nicht nur Rüstungsabkommen in Milliardenhöhe geschlossen, verhandelt wird informell zudem bereits über eine russische Militärbasis nahe der ägyptischen Mittelemeerküste. Ebenso hofft Moskau in Libyen auf ein Abkommen nach dem Vorbild Syriens. Und zuletzt dürfte im Ringen um künftige Einflusssphären auch der Sudan endgültig in die erstarkende eurasische Machthemisphäre fallen. China investiert in die Wirtschaft, Putins Russland soll die Regierung des per internationalem Haftbefehl gesuchten Präsidenten Omar Al-Bashir militärisch vor "aggressiven Handlungen" der USA schützen, etwa durch Lieferung von modernem Kriegsgerät. Im Gegenzug winkt Moskau eine weitere Militärbasis - diesmal am Roten Meer mit Blick auf Mekka, Irans Todfeind Saudi-Arabien. Damit schließt sich langsam der russische Halbmond.

Um eine post-amerikanische Nahost-Ordnung zu schaffen, inszeniert sich Putin als Friedensbringer. Doch nicht nur in Syrien, wo für kommende Woche in der kasachischen Hauptstadt Astana an der UNO vorbei eine weitere Runde von Friedensgesprächen angesagt ist, wird die Mission noch steinig. Und auch beim Versuch, die Interessen Saudi-Arabiens, Irans, Israels, des Sudan und anderer unter einen Hut zu bringen, könnte der Kreml kläglich scheitern.