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Putins Rache für orange Revolution

Von Friedemann Kohler

Politik

Kiew soll mit hohem Gaspreis zahlen. | Moskau. (dpa) Russland und die Ukraine verwickeln sich immer mehr in einen Bruderstreit mit ungewissen Folgen. Vom Gas bis zur Schwarzmeerflotte kommen alle Streitthemen der ungleichen Nachbarn aufs Tapet. Wenn die Ukraine nicht einen viereinhalb Mal höheren Gaspreis akzeptiert, will die russische Gazprom am 1. Januar um 8.00 Uhr früh Ortszeit den Hahn zudrehen. Seit Wochen schlägt Gazprom bei den westeuropäischen Kunden Alarm, dass dann auch ihre Gasversorgung gefährdet sei. Doch noch schaut Europa dem Duell abwartend zu.


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Faktisch präsentiert Russland der Ukraine die Rechnung für den unerwünschten Machtwechsel zum westorientierten Präsidenten Viktor Juschtschenko im vergangenen Winter. Kremlchef Wladimir Putin hatte auf die Gegenseite, Ex-Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, gesetzt und damit seine bitterste außenpolitische Niederlage erlitten. "In einem Kubikmeter Gas sind all die Emotionen konzentriert, die sich zwischen Moskau und Kiew nach dem Sieg der Revolution in Orange angesammelt haben", schrieb die Zeitung "Kommersant".

Es ist auch das erste Beispiel der neuen Putin-Doktrin, dass Russland seine Großmachtziele mit der starken Stellung als Energielieferant durchsetzen will. Von der Wunschvorstellung Juschtschenkos, mit Russland ein Verhältnis auf Augenhöhe zu unterhalten, ist nichts geblieben.

Im Kern des Streits verlangt Gazprom von der Ukraine, für russisches Gas zum Eigenverbrauch statt 50 US-Dollar künftig 230 US-Dollar (194 Euro) für 1000 Kubikmeter zu zahlen. Das sei der Marktpreis für westliche Länder, zu denen die Ukraine gehören wolle. Kiew ist dagegen allenfalls zu einer schrittweisen Erhöhung bereit.

Drohgebärden

Der geforderte Preis würde die ukrainischen Kassen sprengen, deshalb besann sich Kiew auf seine eigenen Druckmittel. Das ist zum einen die Durchleitung des russischen Gases nach Westen. Energieminister Iwan Platschkow kündigte an, die Ukraine werde jeweils 15 Prozent des Gases als Gebühr einbehalten. Gazprom betrachtet das als Diebstahl. Zum anderen fiel Kiewer Politikern ein, dass Russland für die Stationierung seiner Schwarzmeerflotte auf der Krim zu wenig Pacht zahle. Eigentlich will Juschtschenkos Führung, die Richtung NATO strebt, das Relikt aus sowjetischen Zeiten ganz los werden.

Dagegen fuhr der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow das allerschwerste Geschütz auf. Mit dem Flottenvertrag sei die Anerkennung der ukrainischen Grenze verknüpft, sagte er: "Es wäre tödlich, diese Übereinkunft zu verändern." Deren Anerkennung hatte Kiew Moskau erst 1997 mühsam abgetrotzt.

Die Aussichten auf ein kaltes Neujahrsfest in der Ukraine treffen Juschtschenko ausgerechnet zu Beginn des Wahlkampfes für ein neues Parlament am 26. März. Dabei stehen die Chancen seines Wahlblocks Unsere Ukraine nicht allzu gut. Sowohl die Partei der Regionen seines alten Widersachers Janukowitsch als auch die Partei seiner ehrgeizigen Ex-Weggefährtin Julia Timoschenko liegen besser im Rennen. Sehr zum Gefallen Moskaus kritisierte die einstige Ölmagnatin Timoschenko Kiews Verhalten in dem Gasstreit. Kurz darauf stellte Russlands Justiz ein seit Jahren gegen sie anhängiges Korruptionsverfahren ein.