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Putins Schwäche

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der russische Präsident pokert im geopolitischen Spiel sehr hoch, und das ist fatal. Wenn Russland, wie dessen Verteidiger im Westen betonen, einfach als Großmacht ernst genommen werden will, müsste Wladimir Putin anders agieren. Zu einem Staatsmann passen derart rüde Macht- und Gewaltdemonstrationen nicht.

Vor seinem Treffen mit den EU-Spitzen in Mailand stieß er allerlei Drohungen aus, die vollkommen sinnlos waren. Dementsprechend reagierte die EU: Die Sanktionen gegen Russland bleiben aufrecht.

Diese Sanktionen hält Russland bestenfalls drei Jahre lang aus, hat der angesehene russische Ökonom Sergei Guriew errechnet. Das bedeutet nicht drei Jahre durchtauchen, sondern die Aussicht, nach drei Jahren als Land pleite zu sein. Schon jetzt setzen die Sanktionen der russischen Wirtschaft heftig zu. Der Kapitalabfluss wird heuer etwa 120 Milliarden Dollar ausmachen, wichtige Investitionen (etwa in der Ölförderung) unterbleiben. Die Londoner City hat aufgehört, russische Banken zu finanzieren. Der Rubel notiert auf einem Allzeit-Tief. Die Folge: Russlands Wirtschaft wird 2015 in eine Rezession stürzen, die Inflation marschiert in Richtung zehn Prozent. Der derzeit niedrige Ölpreis beschädigt Russland zusätzlich.

Noch funktioniert Putins Propaganda-Maschine, die Mehrzahl der Russen glaubt ihrem Präsidenten. Doch was wird passieren, wenn er Ausgaben reduzieren muss und Löhne und Pensionen nicht mehr steigen, sondern fallen?

Sein geopolitischer Spieltrieb und die damit verbundene Unberechenbarkeit sind wohl auch Hindernisse für die Hinwendung nach China. Die Führung in Peking schätzt an Partnern Verlässlichkeit. Zudem unterbinden die Sanktionen jeglichen Technologietransfer nach Russland. Der russische Präsident gibt sich stark und unbeugsam, fühlt sich von den USA und der EU bedroht. Sein Versuch, die EU in der Russland-Frage zu spalten, war bisher ergebnislos.

Putin ist schwächer, als er sich eingesteht, doch die Welt weiß um seine Schwäche. Er könnte Stärke beweisen und bei der Ukraine auf eine politische Lösung einschwenken. Damit würde er zwar die prorussischen Separatisten im Regen stehen lassen, doch Russland würde davon profitieren. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Putin ein Staatsmann ist oder bloß Repression mit Stabilität verwechselt.