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Puzzle mit vielen Teilen

Von Christian Böhmer

Wirtschaft
Der WTO-Gipfel in Hongkong wurde von Protesten tausender Globalisierungsgegner begleitet. wai

WTO-Gipfel geht nur kleine Schritte. | Endlose Debatten, dürftige Ergebnisse. | Hongkong. (dpa) Pascal Lamy sitzt in seinem Büro und raucht eine Zigarre. Der müde Blick des WTO-Chefs schweift über den sonnenüberfluteten Hafen Hongkongs. Zwischen Frachtern und Fähren kreuzt ein Boot von WTO-Gegnern. "Wann werden die Armen anfangen, reich zu werden?", steht in großen Lettern auf den blauen Segeln geschrieben. "Richtig", sagt sich der vom Gipfel-Poker erschöpfte Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO). "Handel kann dazu beitragen, Armut zu lindern. Aber - und das ist ein großes 'Aber' - es ist nur eines von vielen Teilen des Puzzles."


Lamy stand in Hongkong vor dem unlösbaren Problem, weit auseinander klaffende Interessen von armen Ländern wie Angola oder Haiti, ausgesprochen selbstbewussten Schwellenländern wie Brasilien oder Indien und den Handelsgiganten EU und USA unter einen Hut zu bekommen. Der nach sechs Tagen mühsam errungene Minimalkompromiss nützt vor allem den Entwicklungsländern.

Handelsexperten sehen die Gefahr, dass die reichen Staaten sich zunehmend vom umfassenden System der WTO lösen und zweiseitige Handelsabkommen schließen. Dies schadet dann wiederum den Armen.

WTO-Chef Lamy

lobt die Abläufe

Als Lamy noch Handelskommissar der EU war, qualifizierte er die Zeit raubenden und komplizierten WTO-Prozeduren als "mittelalterlich" ab. Seit seinem Amtsantritt bei der WTO im September lobt der französische Sozialist hingegen deren Ablauf als demokratisch, auch wenn er Mängel einräumt. "Geduld ist keine Tugend, sondern eine Notwendigkeit", lautet sein Arbeitsmotto.

Keines der 150 Mitgliedsländer kann überstimmt werden, denn es gilt das Konsensprinzip. Jeder darf seine Probleme nennen. Die westafrikanischen Staaten Mali, Tschad, Benin und Burkina Faso prangerten die für ihre Baumwollbauern ruinösen US-Subventionen in dem Sektor an - und wurden gehört.

Nachteil dieses Verfahrens sind endlose Debatten, dürftige Ergebnisse und übermüdete Unterhändler. Lamy und Mitarbeiter konsumierten in einer Nacht 320 Tassen Kaffee. "Nicht schlecht für die Exporte der Entwicklungsländer", lautet dazu Lamys lapidarer Kommentar.

Kritiker fragen nach dem Sinn von Mammutkonferenzen mit über 6000 Delegierten. Dazu kommen die inzwischen üblichen Krawalle am Veranstaltungsort. 9000 Polizisten in Hongkong reichten nicht aus, um Ausschreitungen von militanten WTO-Kritikern zu verhindern.