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Puzzleteile zu Madrider Attentaten

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Im Zusammenhang mit den Bombenanschlägen auf vier Pendlerzüge in Madrid am 11. März sind bisher neun Personen in Untersuchungshaft genommen worden, sechs Marokkaner, zwei Inder und ein Spanier. Vier weitere wurden vorerst festgenommen. Die Hauptrichtung der Untersuchungen geht in Richtung einer islamistischen Terrorgruppe namens "Marokkanische islamische Kampfgruppe" (GICM), die nach Auffassung der Geheimdienste Verbindungen zu El Kaida hat, aber auch zur algerischen GIA und zu extremistischen islamischen Gruppen in Großbritannien, Italien, Dänemark, Irland, Belgien und in der Türkei.


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Die GICM wurde 1993 in Marokko unter dem Namen "Al Harakat Al Islamia Al Maghiribia" gegründet. Ihr Hauptanliegen ist der Kampf gegen jene Regierungen, die nicht die Scharia, das islamische Recht, zur Grundlage ihres Wirkens nehmen. Ein weiteres Ziel ist es, jene Marokkaner, die in Afghanistan in den Trainingslagern der El Kaida eine terroristische Ausbildung erhalten hatten, nach Marokko zurückzubringen. Neun Mitglieder dieser Gruppe, die während des Krieges in Afghanistan in Gefangenschaft geraten waren, werden von den USA in Guantanamo festgehalten.

Als einer der Hauptverdächtigen für die Ausführung der Anschläge in Madrid gilt der zwei Tage nach den Attentaten festgenommene Jamal Zougam, der im Madrider Stadtviertel Lavapies ein Telefongeschäft betrieben hatte. Zougam wurde von Zeugen als jener Mann beschrieben, den sie in den Zügen in Alcala de Henares vor der Abfahrt gesehen hatten. Bei einer Durchsuchung seines Geschäfts wurden auch abgebrochene Teile einer Handy-Hülle gefunden. Sie passten exakt zu jenem Mobiltelefon, das die spanische Polizei in einer Sporttasche mit einer nicht deponierten Bombe in einem der betroffenen Züge am Bahnhof von El Pozo gefunden hatte.

Über dieses Mobiltelefon war es der spanischen Polizei möglich, rasch auf die Spur der Täter zu kommen und die ersten Festnahmen - drei Marokkaner und zwei Inder - bereits zwei Tage nach den verheerenden Anschlägen durchzuführen. Soviel man bisher weiß, sind die beiden Inder, deren Namen von den spanischen Behörden mit Vinay Kholy und Uresh Kumar angegeben werden, nur indirekt in die Attentate verwickelt und werden der Manipulation von Telefonwertkarten verdächtigt.

Der bisher am schwersten belastete Jamal Zougam dagegen stand schon vor den Anschlägen im Visier der spanischen Terrorbekämpfer. Bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war er in Spanien aktenkundig, aber nie angeklagt worden. Die spanischen Justizbehörden beobachteten ihn wegen Kontakten zum Chef der spanischen El-Kaida Zelle, Imad Eddin Barakat Jarkas. Auch mit dem im norwegischen Exil lebenden Mullah Krekar, dem Gründer der extremistischen Gruppe "Ansar el Islam", der zahlreiche Anschläge im Irak zur Last gelegt werden, hatte Zougam mehrmals Kontakt. Zougam soll auch einige Zeit in der Wohnung des Marokkaners Abdelaziz Benyaich gelebt haben, der wegen Kontakten zu den Attentätern von Casablanca, wo am 16. Mai des Vorjahres 43 Menschen starben, seit Juni 2003 in Spanien in Haft ist. Mit diesem Anschlag wird auch einer der weiteren zwei Marokkaner, die bereits am 13. März verhaftet wurden, Mohamed Chaoui, in Verbindung gebracht. Chaoui ist ein Halbbruder Zougams. Er bestreitet ebenso wie der dritte am 13. März festgenommene Marokkaner, Mohamed Bekkali, die Beteiligung an den Anschlägen vom 11. März. Er habe zu Tatzeit geschlafen und davon erst aus dem Fernsehen erfahren, sagte er bei den Vernehmungen durch die Polizei.

Auch die Herkunft des Sprengstoffs, der bei den Anschlägen verwendet wurde, scheint weitgehend aufgeklärt. Es handelt sich dabei um rund 110 Kilo des Sprengstoffes "Goma 2 Eco", der von einer spanischen Firma in Burgos erzeugt und vor allem für den Gebrauch in Bergwerken bestimmt ist. In jenem Kleinlastwagen, der am nur wenige Stunden nach den Attentaten vor dem Bahnhof in Alcala de Henares nach dem Anruf eines Nachbarn aufgefunden worden war, hatten die Ermittlungsbehörden noch einen Rest dieses Sprengstoffes gefunden und anhand der Verpackung festgestellt, dass er erst im Februar dieses Jahres produziert worden war.

Am Donnerstag waren in diesem Zusammenhang der frühere Minenarbeiter Jose Emilio Suarez Trashorras und vier weitere Marokkaner festgenommen worden. Suarez Trashorras, der einzige Spanier, der bisher wegen der Anschläge in Untersuchungshaft kam, gab zu, marokkanischen Verbindungsmännern in Madrid die Möglichkeit eines Diebstahls von Sprengstoff in einem Bergwerk in Asturien genannt zu haben. Er soll dafür 7000 Euro und eine Lieferung Haschisch bekommen haben, leugnet jedoch, von den geplanten Anschlägen gewusst zu haben. Einer der am Donnerstag festgenommenen Marokkaner wurde in der Zwischenzeit wieder enthaftet, über die anderen drei, die Untersuchungshaft verhängt. Untersuchungsrichter Juan Del Olmo beschuldigt sie, direkt am Bau der Bomben und an ihrer Deponierung in den Zügen beteiligt gewesen zu sein. Ihre Namen wurden mit Abderrahim Zbakh, Mohamed el Hadid Chedadi und Abdelwahid Berrak angegeben. Berrak war Partner des Hauptverdächtigen Jamal Zougam in einem Friseursalon und gab in den Verhören auch Verbindungen zum spanischen El-Kaida-Chef Imad Eddin Barakat Yarkas alias Abu Dahdah zu.

Noch nichts sickerte über die Namen weiterer vier Personen durch, die am Wochenende im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. März festgenommen worden waren. Die Zeitung "El Pais" berichtete in ihrer Dienstagausgabe, dass eine dieser festgenommenen Personen möglicherweise eine Frau sei und dass sie in "familiären oder freundschaftlichen Zusammenhang" mit bisher Verhafteten stehen. Mindestens drei dieser Personen sollen aus dem Stadtviertel Lavapies stammen, wie auch Jamal Zougam, und in einem dortigen Fischgeschäft beschäftigt gewesen sein.