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Pyrrhus-Sieg für Sharon?

Von Ines Scholz

Politik

Ministerpräsident Ariel Sharon erhielt im Parlament mit Hilfe der Linksopposition zwar eine klare Mehrheit für seinen Gaza-Räumungsplan, weitere Hürden stehen seinem ehrgeizigen Vorhaben aber noch bevor. Da Teile seiner Partei weiter massiv gegen den Plan mobil machen, schwebt eine Spaltung des Likud samt vorgezogenen Neuwahlen weiterhin wie ein Damoklesschwert über dem Premier.


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Sharon nahm das Abstimmungsergebnis am Dienstag Abend - 67 Pro- und 45 Gegenstimmen bei 7 Enthaltungen - mit sichtlicher Erleichterung auf, ein Erfolgserlebnis war dies für ihn jedoch nicht. 17 der 40 Likud-Abgeordneten und alle sechs Abgeordneten des Koalitionspartners Mafdal (Nationalreligiöse Partei) stimmten gegen seinen Abzugsplan. Eine satte Mehrheit kam lediglich zustande, weil neben den 23 Likud-Abgeordneten und der Koalitionspartei Shinui (15 Abg.) auch die oppositionellen Linksparteien Arbeiterpartei und Meretz sowie zwei palästinensische Vertreter für den Plan stimmten, demzufolge bis zum Herbst kommenden Jahres sämtliche 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und vier der 120 Siedlungen im Westjordanland aufgelöst werden sollen.

Sharon machte umgehend seine Ankündigung wahr und feuerte noch am Abend jene Regierungsmitglieder, die in der Knesset gegen das Vorhaben gestimmt hatten - Kabinettsminister Uzi Landau und Vizeminister Michael Ratzon. Ungemach kommt von vier weiteren Likud-Ressortchefs, allen voran Finanzminister Benjamin Netanyahu und Erziehungsministerien Limor Livnat. Diese hatten zwar in letzter Sekunde für den Plan gestimmt, stellten Sharon aber vor die Wahl, entweder in den kommenden zwei Wochen eine Volksabstimmung über den Plan zu veranlassen oder sie würden das Kabinett verlassen. Ein entsprechendes Ultimatum hatte schon vor Wochen die Nationalreligiöse Partei ausgesprochen. "Wir wollen niemanden stürzen, wir wollen nur einen tiefen Riss innerhalb des (israelischen) Volkes verhindern", meinte Netanyahu in Jerusalem.

Sharon lehnt Referendum ab Sharon zeigt sich von den Drohungen vorerst unbeeindruckt. Ein Referendum würde die Umsetzung des Rückzugsplans um mindestens sechs Monate verzögern, begründete er gestern neuerlich seine Ablehnung. Dabei wäre dem Premier die Zustimmung der Bevölkerung gewiss.

Nach jüngsten Umfragen unterstützen 65 Prozent Israels trotz der heftigen Gegenkampagnen der Ultrarechten einen Abzug aus Gaza, nur 26 Prozent lehnen ihn ab.

Sharons jüngster Abstimmungssieg im Parlament könnte sich angesichts der internen Querelen noch als Pyrrhus-Sieg erweisen. Schon in der kommenden Woche steht eine weitere Abstimmung in der Knesset bevor. Dann nämlich sollen die 120 Abgeordneten in erster Lesung über das Gesetz zur Implementierung des Trennungsplans abstimmen, sprich, die Regierung zur Räumung der Siedlungen durch die Armee autorisieren und die Entschädigungszahlungen für die betroffenen Siedlerfamilien sanktionieren. Im März folgt ein Votum über die erste konkrete Rückzugsetappe aus dem Gazastreifen. Sharon wird jedesmal auf die Stimmen der Linksopposition angewiesen sein - sofern diese bereit ist, weiterhin mitzuziehen. Rufe nach Neuwahlen wurden auch dort schon laut. Sharon bleiben letztlich nur drei Auswege aus der prekärsten Pattsituation seit seinem Regierungsantritt vor dreieinhalb Jahren: er beugt sich dem Ruf der Falken nach einem Referendum, ruft vorgezogene Neuwahlen aus (Netanyahu würde dann allerdings voraussichtlich die parteiinterne Abstimmung über die Spitzenkandidatur gegen Sharon gewinnen) oder holt die Arbeiterpartei in die Regierung. Letzteres hat auf jeden Fall ein Auseinanderbrechen der bisherigen Koalition zur Folge, denn sowohl der Likud als auch die Nationalreligiösen lehnen eine gemeinsame Regierung mit Shimon Peres' Partei kategorisch ab. Auch eine Spaltung der Likud-Partei gilt in Israel als durchaus denkbares Szenario.