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Erhard Busek: In Österreich "fehlt die Kraft zur Reform". | In Alpbach wird über "Leadership und Zuversicht" nachgedacht. | Alpbach. Österreich macht gerade einen "schmerzhaften Weg in den Provinzialismus" durch. Das erklärte Erhard Busek, ehemaliger Vizekanzler, ÖVP-Chef und Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, beim traditionellen Europafrühstück am Mittwoch in Alpbach, gemeinsam veranstaltet von "Wiener Zeitung", Management Club, der Werbeagentur GPK, dem Callcenter-Betreiber CCC und der Generali Group.
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Als Beispiel nannte Busek die Debatte rund um die Besetzung des österreichischen Kommissarspostens in der Europäischen Union. Man diskutiere über das Aussehen möglicher Kandidaten und über deren Nutzen für den Ausgang von Landtagswahlen. Diese Situation kommentierte Busek mit harten Worten: Das "ist doch alles scheißegal", vielmehr müsse man sich darum kümmern, ein Ressort zu bekommen, das Österreich auch nützt. Auch sonst ließ er kein gutes Haar an der österreichischen Innenpolitik: "Es fehlt die Kraft zur Reform" - von Bundesrat bis Schulverwaltung. Und die Neuregelung der Altenpflege sei überhaupt sinnlos: Die illegale slowakische Betreuung sei "zehn Mal besser gewesen, als das, was der Gesetzgeber bisher gemacht hat". Wie zum Trost ergänzte er: "Die Qualität der europäischen Politik ist generell unterm Hund."
So sei das wirtschaftliche Potenzial in der Europäischen Union durchaus noch stark vorhanden, das politische Potenzial ist laut dem Ex-ÖVP-Obmann allerdings "gleich Null".
Beispielsweise suche sich Russland seine Kontakte zwar innerhalb der Union - also etwa Frankreich oder Deutschland - aus, die EU als einzelner Gesprächspartner aber "existiert nicht". Kein Wunder, denn die Politik lebe nun einmal von der "Sinnlichkeit", dem Vorhandensein eines fixen, angreifbaren Gegenübers - und das existiere in der Union mit der alle sechs Monate wechselnden Ratspräsidentschaft eben nicht, so Busek. "Diese politische Folklore ist ja ganz nett, aber so kann man nicht arbeiten." Mit dem Vertrag von Lissabon, der einen Wechsel der Ratspräsidentschaft nur alle fünf Jahre vorsieht, könnte man dies ändern, betonte er. Angesichts der anstehenden Beschlüsse zu Reformvertrag und Neubesetzung der Kommission befinden sich die Mitgliedsstaaten laut dem Experten jetzt, in einer Zeit des wachsenden Nationalismus und Egoismus, an einem Scheideweg: "Wollen wir diese EU erhalten oder nicht?", sei die entscheidende Frage. Und diese müsste sich vor allem Österreich jetzt stellen.
Südosteuropa hatErfahrung mit Krisen
Eigentliches Thema des Gesprächs unter dem Motto "Leadership und Zuversicht" waren aber die Auswirkungen der Finanzkrise auf Ost- und Südosteuropa und der Umgang der EU mit den geänderten Voraussetzungen.
Busek warnte davor, die Folgen der Finanzkrise zu eindimensional zu betrachten. Die Länder in Ost- und Südosteuropa hätten vor der Krise nun einmal davon gelebt, Konsumgüter für den Westen zu produzieren, die jetzt nicht mehr in diesem Ausmaß benötigt würden. Allerdings: Die heftigen Reaktionen etwa der internationalen Presse auf die Auswirkungen der Krise "gehen weit über das hinaus, was Sache ist". Auch sei die Situation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich: Während die Fehlentwicklungen in Ungarn laut Busek schon vor 1989 begonnen haben, gebe es etwa in Kroatien erst in letzter Zeit eine Tendenz zum schnellen Konsum - mit Blick auf einen baldigen EU-Beitritt sei man in dem Urlaubsland davon ausgegangen, dass ohnehin bald "Milch und Honig fließen" werde.
Dass der Absturz gar nicht so groß sei, wie er scheint - immerhin habe sich keiner der großen Player aus den südosteuropäischen Ländern zurückgezogen -, begründete der Experte einerseits damit, dass die osteuropäischen Länder nicht über die Mittel für waghalsige Immobilien-Spekulationen verfügt hätten. Außerdem würden die osteuropäischen Länder selbst sagen, dass sie seit dem Zweiten Weltkrieg in permanenten Krisen leben, also Erfahrung im Umgang mit schwierigen Situationen hätten. Und: "Diese Länder haben es zur Erde näher als wir", sagte Busek mit Blick auf das niedrigere Ausgangsniveau der südosteuropäischen Wirtschaften vor der Krise.