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Qualität vor Quantität - darauf muss sich (nicht nur) China erst einstellen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Ist Chinas Staatssozialismus dem Kapitalismus westlicher Prägung überlegen? Während der Westen in die Krise taumelte, wuchs die Volksrepublik mit atemberaubenden Zahlen weiter. Der mächtige Arm der Kommunistischen Partei, stärker als die "unsichtbare Hand" des freien Marktes?


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Der Vergleich von Bruttoinlandsprodukt-Zuwächsen greift zu kurz: Chinas staatliche Planung gerät nämlich zusehends an Grenzen. Wie die aktuellen Debatten über den Fünf-Jahres-Plan zeigen, steht die Führung in Peking vor immensen Herausforderungen. Oberstes Gebot sind in dem 1,3-Milliarden-Einwohner-Land stabile Verhältnisse. Etwa acht Prozent Wachstum sind nötig, um genug Jobs für die auf den Markt drängenden jungen Chinesen zu haben.

In der abgelaufenen Periode war das Problem aber eher das zu hohe Wirtschaftswachstum von jährlich 11,2 Prozent. Die Statthalter in den Provinzen hatten sich nicht an Vorgaben gehalten und die Wirtschaft in den Städten auf Teufel komm raus vorangetrieben. Die Quittung sind unterbezahlte und unzufriedene Arbeiter, eine verdreckte Umwelt und ausgebeutete Ressourcen. Der Energiebedarf ging durch die Decke - und entwickelte sich zu Chinas Achillesferse.

Größte Sorge Teuerung

Die Folgen sind eine überhitzten Wirtschaft und gefährliche Blasen. Die Gefahr, dass der nächste Crash mit globalen Schockwellen aus dem Reich der Mitte kommt, ist groß - unter anderem wegen des bedrohlichen Baubooms. Dieser brachte rasant steigende Preise mit sich. Die Inflation ist einer jener Faktoren, die Peking zu entgleiten drohen: Zwar wurden die Zinsen in etlichen Schritten angehoben und die Kreditvergabe der Banken direkt massiv gedrosselt. Dennoch ist die Preisspirale noch nicht im Griff. Wird das Leben noch teurer, so birgt das soziale Sprengkraft: Der Reichtum der Boomjahre ist nur bei einigen wenigen angekommen, besonders die Landbevölkerung und die zig Millionen Wanderarbeiter haben durch die Finger geschaut.

Ungelöst ist ferner die makroökonomische Schieflage schlechthin: Chinas Wirtschaft ist zu einseitig auf Exporte ausgerichtet, vor allem auf billige Konsumgüter. Um nun die Binnennachfrage zu stärken, müssten die Lohnzuwächse für Chinas Arbeiter höher ausfallen als bisher und die Währung Renminbi aufgewertet werden. Das würde aber die Exportsituation gegenüber der Billigkonkurrenz anderer asiatischer Länder verschlechtern. Zugleich sollte China von billigen Ramschgütern wie Spielwaren auf Exporte mit höherer Wertschöpfung umstellen - ein heikler Balanceakt. Noch mangelt es an Innovationen, selbst wenn China sich in Wachstumsmärkten wie der erneuerbaren Energietechnologie rasant weiterentwickelt.

Nachhaltiges Wachstum zählt mehr als Kurzzeit-Blasen: Dieser Erkenntnis wird sich auch der Westen stellen müssen. Die Chinesen haben da einen klaren Vorteil: Statt auf einem Berg Schulden sitzen sie nämlich auf einem Haufen Geld - und zwar auf Devisen von bald 3 Billionen Dollar.

Siehe auch:Chinas Angst vor Unruhen