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Qualitatives versus quantitatives Wachstum

Von Franz Witzeling

Gastkommentare

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Die bekannte These "Small is beautiful" des alternativen Nobelpreisträgers, Nationalökonomen, Juristen und Philosophen Ernst Friedrich Schumacher ist, wenn man sie als Maßstab für unsere Wirtschaft hernimmt, ein Schlag ins Gesicht der Wachstumsfetischisten mit ihrer Maxime: "Immer größer und immer mehr."

In einer ausgewogenen Abhandlung über zwei völlig konträrer Lebens- und Wirtschaftspositionen ist dies zugegebenermaßen ein nicht ganz fairer Einstieg. Wenn wir uns aber bewusst auf eine Gegenüberstellung der Argumente für zwei unterschiedliche Lebenshaltungen einlassen, ist sie für die Dramaturgie der Debatte sicher förderlich.

Gegensätze Beschleunigung und Entschleunigung

Konsum, Gewinn Kapital, Luxus - all das sind Leitbegriffe, die auf Wirtschaftswachstum abzielen. Die zeitaktuellen Begriffe Beschleunigung und Entschleunigung als polare Gegensätze deuten darauf hin, worum es beim Begriff Wachstum in der Bandbreite seiner Bedeutung geht. Der Faktor Zeit ist sicher eine bestimmende Dimension für die Qualität des Wachstums, aber vor allem für die Lebensqualität, auf die es letzten Endes ankommt.

Bisher sind wir in der Reflexion immer vom Verhältnis zwischen Mensch und Wachstum ausgegangen. Beleuchtet man zusätzlich die Auswirkung von sich immer mehr ausweitenden Strukturen wie Bauten, Produktionshallen oder Großraumbüros, die die Menschen privat und vor allem auch am Arbeitsplatz umgeben, kommen dabei wenig erforschte Effekte von Strukturwachstum und Auswirkung auf die Psyche der Menschen zutage.

Wenn man schon keine Kurzzeiteffekte bemerkt, so sind Langzeitwirkungen wie bei chronischen Prozessen sehr wohl in unterschiedlichen Formen besonders im fortgeschrittenen Alter bemerkbar.

Dass Schnelligkeit im Wettbewerb nichts Verwerfliches ist, haben uns schon die alten Griechen bei den Olympischen Spielen vorgezeigt. Aber auch bei diesen historischen Wettbewerb ging es nicht nur um schneller oder weiter um jeden Preis, sondern auch Grazie und Stil wurden in die Bewertung miteinbezogen.

Grenzenlos gierige Wegwerfgesellschaft

Wo wollen wir also letztlich im Zusammenhang mit der Wachstumsdebatte hin? Wertgewinne sind nur durch Wachstum zu erreichen - so scheint die Maxime unserer Gewinn- und grenzenlos gierigen Wegwerfgesellschaft zu lauten.

Was dabei leider vergessen - oder vielleicht eher verdrängt - wird, ist, dass wir durch ein solches Verhalten an Selbst- und Fremdwert verlieren. Das gehört besonders heute so machen Politikern und Wirtschaftsverantwortlichen in ihre Stamm- oder Wirtschaftsbücher geschrieben.

Zum Autor

Franz
Witzeling

ist Psychologe und Soziologe in Klagenfurt. Er war der Gründer und Leiter des dortigen Humaninstituts.