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VP-Justizsprecher: Schließung vor Standesamt, Auflösung vor Gericht. | Schwarzes Njet zu "Ehe light". | Weitgehender Konsens mit SPÖ. | Wien. Der Rubicon ist überschritten, für einen Rückzieher ist es nun endgültig zu spät: Die ÖVP hat ihr Nein zur Einführung eines Rechtsinstituts für homosexuelle Partnerschaften nach Jahren des entschlossenen Widerstands aufgegeben. "Die Entscheidung ist gefallen, für unnötige Verzögerungen gibt es keinen Grund", bringt ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer die neue Position auf den Punkt.
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Von der Partei hat er den Auftrag, bis Mitte/Ende November einen ÖVP-internen Gesetzesentwurf auszuarbeiten und diesen anschließend mit dem Koalitionspartner SPÖ abzustimmen. Anders als bei sonstigen Materien kommt in diesem Fall der internen Überzeugungsarbeit eine größere Bedeutung zu als dem Positionsabtausch mit der SPÖ. Die vehementesten Gegner eines Rechtsinstituts stehen in den eigenen Reihen der ÖVP beziehungsweise an deren Rändern.
Dessen ist sich auch Donnerbauer bewusst, entsprechend bemüht er sich, die neue Position als logische Fortsetzung des bisherigen Kurses zu argumentieren. Keinesfalls soll es nämlich durch die neu zu schaffende Möglichkeit einer rechtlich anerkannten Homo-Partnerschaft zu einer Aushöhlung der Ehe kommen.
Um das zu gewährleisten, soll das neue Rechtsinstitut, das sich weitgehend am Vorbild der Schweiz orientieren soll, eng an die ehelichen Pflichten und Rechte angelehnt werden. Auf diese Weise soll eine Öffnung der neuen Option quasi als "Ehe light" für Heterosexuelle Paare via Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof ausgeschlossen werden. Probleme mit der SPÖ werden nicht erwartet. Auch Justizministerin Maria Berger betont, dass eine Öffnung für Heterosexuelle nicht in Frage komme.
Mitversicherung nein, Witwerpension vielleicht
Damit könnten homosexuelle Partnerschaften künftig auch in den Genuss der sozialversicherungsrechtlichen Privilegien von Eheleuten wie etwa Witwen-/Witwerpensionen kommen. Dies, so Donnerbauer, sei möglich, wenn auch noch nicht fix.
Lediglich die Mitversicherung wird es nicht geben, da diese an die Kindesbetreuung gekoppelt ist. Und für die Volkspartei kommt eine Adoption von Kindern für homosexuelle Paare nicht in Frage. Die SPÖ hätte sich demgegenüber zumindest die Stiefkindadoption gewünscht. Konkret sieht das ÖVP-Modell vor:
Unterzeichnung vor dem Standesamt, um den offiziellen Charakter zu unterstreichen;
Rechte und Pflichten, die jenen in der Ehe weitgehend entsprechen (etwa Unterhaltsansprüche);
Auflösung vor Gericht, auch bei der Aufteilung des gemeinsamen Besitzes weitgehende Anlehnung an das gültige Eherecht, von daher soll auch die Verschuldensfrage eine Rolle spielen.
Traditionellen ÖVP-Kreisen bereitet die Sache mit dem Standesamt gehörige Bauchschmerzen. Dieses wird schlicht mit der staatlichen Eheschließung assoziiert, und nun eine Öffnung dieser Hallen für Homosexuelle . . .?! Für viele überzeugte Schwarze eine albtraumhafte Vorstellung. Sie würden einen Notar vorziehen.
Dessen ist sich auch Donnerbauer bewusst, entsprechend spricht er von einer "großen Kommunikationsherausforderung für die ÖVP". Am Standesamt als Ort der Zeremonie will er jedoch keinesfalls rütteln lassen: "Das Standesamt ist ja nicht die Kirche, von der Materie gehört das einfach hierher, allein schon um Doppelpartnerschaften verhindern zu können."
Die Gefahren für die ÖVP durch die Neupositionierung in dieser Frage liegen auf der Hand - bei den Niederösterreichischen Landtagswahlen 2008 hat eine neue, stramm konservativ-christliche Partei ihre Kandidatur angekündigt, auch die FPÖ wirbt eifrig um diese Klientel -, aber was ist der parteipolitische Nutzen? Immerhin ist nicht zu erwarten, dass liberal-urbane Wähler nun in Scharen zur ÖVP überlaufen. Bei den Schwarzen hofft man - neben einer praktikablen Lösung für die Betroffenen - sich dadurch vom Vorwurf der gesellschaftspolitischen Rückständigkeit befreien zu können. Und als Zuckerl für die Traditionalisten in den eigenen Reihen hat die Volkspartei ja ohnehin schon das Steuersplitting für Familien aus dem Hut gezaubert.
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Wissen: Rechtliche Möglichkeiten für homosexuelle Paare in Europa
(kats) Von keinerlei rechtlicher Anerkennung über eheähnliche Rechte und Pflichten bis hin zu absoluter Gleichstellung mit Heterosexuellen: Die juristischen Möglichkeiten für homosexuelle Paare sind in Europa von Land zu Land verschieden.
Als erstes Land weltweit hat Dänemark 1989 die eingetragene Partnerschaft eingeführt. Wie auch in Österreich geplant, steht diese Möglichkeit dort nur gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Die Dänen lassen zwar die sogenannte Stiefkindadoption - also die Adoption der Kinder des einen Partners durch den anderen -, nicht aber die Fremdkindadoption zu.
Ähnliche Regelungen gibt es in weiten Teilen Mitteleuropas (siehe Grafik) - allerdings mit Einschränkungen. So können Deutsche zwar seit 2001 eine eingetragene Partnerschaft eingehen, steuerrechtlich werden sie aber wie Alleinstehende behandelt. In Frankreich sind weder Fremdkindnoch Stiefkindadoption möglich, ein "Pacte Civil de Solidarité" (Pacs) gewährt aber steuerliche Begünstigungen. In Schweden können homosexuelle Paare seit 1994 auch gemeinsam fremde Kinder adoptieren. Dort ist derzeit eine Diskussion über die Öffnung der Ehe im Gang.
Offen für Homosexuelle ist die Ehe bisher nur in Spanien, Belgien und den Niederlanden. Aber auch hier gibt es Unterschiede: In Spanien wurde 2005 die Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren in allen Bereichen vollzogen. In Belgien gilt als einzige Ausnahme, dass weibliche Partner von Frauen, die während der Beziehung ein Kind bekommen, keine automatische Vaterschaft erhalten und diese auch nicht nach der Geburt beantragen dürfen. Die Ehe wurde in Belgien 2003 geöffnet, davor gab es seit 2000 das "Gesetzliche Zusammenwohnen". In den Niederlanden gibt es seit 2001 die Ehe für Homosexuelle, anders als Heterosexuelle dürfen sie aber keine Kinder aus dem Ausland adoptieren.
Eine "Ehe light" - also die Möglichkeit für Heterosexuelle, statt einer Ehe eine eingetragene Partnerschaft einzugehen - gibt es in der Schweiz, in Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden sowie eingeschränkt in Ungarn, Schweden und Portugal ("nicht-registrierte Lebensgemeinschaft").
Über eine eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle diskutiert wird derzeit in Italien, in Liechtenstein hat das Parlament einen derartigen Gesetzesvorschlag abgelehnt.