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Quo vadis EZB?

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.
© privat

Wird die erfolgreiche freiheitliche Marktwirtschaft ausgehebelt?


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Unabhängigkeit und Aufgabenbeschreibung der 1998 gegründeten EZB waren weitgehend der Deutschen Bundesbank nachgebildet. Ihre zentrale Aufgabe ist demnach die Inflationskontrolle mittels geldpolitischer Instrumente. Verboten ist der EZB die direkte Staatsfinanzierung. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 bis 2012 veranlasste sie - ähnlich wie andere Zentralbanken - zu massiven Aufkäufen von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren, um die Zinsen zu drücken und die Kreditversorgung der Wirtschaft sicherzustellen. In der Folge wurde sie im Rahmen des Aufbaus der Bankenunion zusätzlich mit der unmittelbaren Aufsicht über die großen Banken der Eurozone betraut.

Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise nutzte die EZB ihre Instrumente in weiteren Ankaufsprogrammen. Das rief zunehmend Kritik von Vertretern konservativer Wirtschaftspolitik auf den Plan, die eine Verletzung des Verbots der direkten Staatsfinanzierung und massive realwirtschaftliche Umverteilungsprozesse durch die Null-Zinspolitik orteten, etwa zu Lasten der Leistungsbezieher aus Pensionsfonds oder der Sparer.

Inzwischen treten vermehrt Warner vor einer mittelfristig zu erwartenden Inflationsbeschleunigung aufgrund der massiven Liquiditätszufuhr durch die Wertpapierkäufe der EZB auf. Als weitere Argumente werden Nachholeffekte nach Corona-bedingten Aufschüben von Konsum- und Investitionsentscheidungen genannt, die Notwendigkeit für Unternehmen, ihre Ertragsmargen wiederherzustellen, die Rohstoffhausse und die preissteigernde Wirkung der Klimapolitik (etwa durch eine dynamische CO2-Steuer oder steigende Energiekosten). Die dann zur Inflationsbekämpfung nötigen Zinserhöhungen hätten massive deflationäre Auswirkungen wegen des hohen privaten und öffentlichen Verschuldungsgrades.

Nun nimmt die EZB den "Green Deal" der EU und soziale Verwerfungen zum Anlass, auf den Finanzmärkten - unter Verweis auf die drohende Entwertung nicht "grüner" und nicht "sozialer" Unternehmen und Schuldtitel und der dadurch drohenden Instabilität - zwischen "guten" und "schlechten" Veranlagungen zu unterscheiden. Danach wird sie ihr Ankaufsprogramm ausrichten und Banken unterschiedliche Risikovorsorgen vorschreiben; gestützt auf eine von der EU-Kommission entwickelte "EU-Taxonomie für eine grüne Finanzwirtschaft".

Das alles läuft auf eine massive Aushebelung unseres erfolgreichen freiheitlichen Marktwirtschaftssystems hinaus, wenn eine demokratisch nicht legitimierte Notenbank gemeinsam mit dem von ihr weitgehend kontrollierten Bankensystem und der EU-Bürokratie auf Basis ökologisch und sozial motivierter Entscheidungen die Strukturveränderungen der Wirtschaft zentral steuert. Gleichzeitig lähmt sich die EZB durch ihre bedingungslose Niedrigzinspolitik in ihrem ureigensten Aufgabengebiet, der Inflationskontrolle. Mittelfristig droht ein dreifaches Fiasko: hohe Inflation, wirtschaftliche Stagnation und verfehlte Klimaziele. Natürlich müssen Finanzinstitutionen Klimarisiken realistisch bewerten - aber durch Markttransparenz und Marktbewertung, nicht durch zentral vorgegebene, bürokratische Anweisungen.