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Quo vadis Sozialdemokratie?

Von Nina Flori

Politik

Die Sozialdemokraten kämpfen europaweit mit Vertrauensverlusten und dem Vorwurf fehlender Visionen.


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Wien. Er hat 19 schlechte Wahlergebnisse in Folge eingefahren und den Rückhalt in seiner Partei verloren. Ex-Bundeskanzler Werner Faymann erscheint wohl nicht gerade als ein nachahmenswerter ehemaliger Parteichef. Und doch hat er etwas geschafft, das ihm seine sozialdemokratischen Kollegen in der EU erst einmal nachmachen müssen: Er hat sich siebeneinhalb Jahre im Amt gehalten.

Auf Europaebene hat das in den vergangenen Jahren kaum ein sozialdemokratischer Politiker bewerkstelligt. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi ist erst seit Februar 2014 im Amt, der französische Premier Manuel Valls seit März 2014, der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven seit Oktober 2014 und António Costa ist erst seit einem halben Jahr Premierminister von Portugal.

Häufige Wechsel an der Parteispitze gehören bei den Sozialdemokraten mittlerweile zur Tagesordnung. Parteivorsitzende und Regierungschefs, die Jahrzehnte überdauern und auch internationale Themen wesentlich beeinflussen, wie einst Bruno Kreisky, der Schwede Olof Palme oder die deutschen Ex-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt, scheinen ausgedient zu haben. Von allen Seiten wird der Sozialdemokratie das Fehlen einer eigenen Vision vorgeworfen. Rechte Parteien graben die Wähler in Scharen ab.

Der Rücktritt von Werner Faymann lässt nun auch die europäischen Parteigenossen betroffen zurück, sie sehen Europa unter Druck. Dieser habe mit dem Erstarken nationalistischer Parteien zu tun, sagt die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley.

Zudem habe die lange große Koalition in Österreich zu enormen Abnutzungseffekten geführt - sowohl bei den Konservativen als auch bei den Sozialdemokraten - und Rechtspopulisten stark gemacht, meint SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Die Parteien hätten das Gefühl bekommen, der Staat gehöre ihnen. In Deutschland habe man das bisher vermieden.

Das mag sein, von Erfolg gekrönt ist aber auch die SPD nicht. Bei den Bundestagswahlen im Jahr 2009 fiel sie mit 23 Prozent der Stimmen auf einen historischen Tiefstand. 2013 konnte das Ergebnis mit 25,7 Prozent nur leicht verbessert werden. Ein Debakel erlebte sie bei den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, wo sie jeweils mehr als zehn Prozentpunkte verlor. Die AfD gewann hingegen 12,6 beziehungsweise 24,3 Prozent der Wähler für sich. "Wir werden den Populisten nicht hinterherlaufen", sagte Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel nach den Wahlen. Die SPD werde deutlich machen, dass ihre Kernthemen eine liberale Gesellschaft und sozialer Zusammenhalt seien.

Umfragewerte im Keller

Wie das gelingen soll, ist fraglich. Die Umfragewerte der SPD liegen laut Meinungsforschungsinstitut Insa nur noch bei 19,5 Prozent. Rücktrittsgerüchte um Gabriel machen seit längerem die Runde.

Gehörig unter Druck stehen auch die Sozialdemokraten in Frankreich. Das Ringen um die heftig umstrittene Arbeitsmarktreform hat die Beliebtheitswerte von Premier Manuel Valls weiter sinken lassen. Nur 22 Prozent der Franzosen haben noch eine positive Meinung von ihm, wie eine Umfrage des Instituts "Elabe" zeigt. Die Werte von Präsident François Hollande liegen noch darunter, trotzdem würde der Jurist mit Abschlüssen von drei Pariser Eliteuniversitäten bei den Präsidentschaftswahlen 2017 gerne eine weitere Amtszeit anhängen. Rund drei Viertel der Franzosen wollen aber weder Hollande noch Valls als Präsidentschaftskandidaten sehen, was die Chancen der rechtsextremen Front National-Chefin Marine Le Pen weiter steigen lässt.

Mit rückläufigen Umfragewerten muss sich auch der schwedische Premier Stefan Löfven auseinandersetzen. Schweden hat 2015 mehr Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen als jeder andere EU-Staat. Im Februar reagierte die Bevölkerung geschockt, als ein Flüchtling eine junge Flüchtlingshelferin erstach und eine Hetzjagd maskierter Männer auf Flüchtlinge in der Stockholmer Innenstadt folgte. Löfven versuchte zu beschwichtigen und versprach, gegen die Kriminalität hart durchzugreifen. Doch er wirkt hilflos.

Trotz einer Verschärfung der Asylgesetze im November des vergangenen Jahres hat die Zustimmung zur Politik von Löfvens rot-grüner Minderheitsregierung einen historischen Tiefpunkt erreicht. Die oppositionellen Konservativen haben die Sozialdemokraten laut Umfragen überholt.

In Italien will der ehrgeizige Ministerpräsident Matteo Renzi die Politikverdrossenheit der Menschen nach der Berlusconi-Ära mildern und mit Reformen das Land umkrempeln. Manche Beobachter erinnert sein Gebaren an Gerhard Schröder oder Tony Blair, die in den 90er Jahren versucht haben, mit dem "dritten Weg" auf die Globalisierung, die Technologisierung und die Individualisierung der Gesellschaft zu reagieren. Der linke Flügel von Renzis Partei zeigt sich von dessen Tendenzen zum Neoliberalismus aber wenig begeistert und bricht zusehends weg. Bei den anstehenden Kommunalwahlen - unter anderem in Rom und Mailand - setzt Renzi daher nicht auf Parteigranden, sondern Machertypen mit bekannten Namen aus der Wirtschaft oder Verwaltung.

Eine Taktik, die man nun auch in Österreich verfolgt.