Wahl des obersten Staatsanwalts als Zerreißprobe. | Beobachter rechnen mit vorgezogenen Parlamentswahlen. | Bratislava. Die Tage der slowakischen Premierministerin Iveta Radicova scheinen endgültig gezählt. Am Dienstag unternimmt das Parlament einen neuen Anlauf zur Wahl eines Generalstaatsanwalts. Der wird bei einer geheimen Abstimmung gekürt. Das könnte die Regierungschefin ihr Amt kosten. Denn die Wahl ist die Neuauflage einer Parlamentsabstimmung, bei der kein Nachfolger für den bisherigen Amtsinhaber Dobroslav Trnka gefunden wurde. Dieser blieb aus Radicovas Sicht oft untätig. Deshalb soll ihn der Koalitionskandidat Jozef Centes ablösen.
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Trnka erhielt damals mehr Stimmen als Centes, wobei offenbar auch Koalitionsabgeordnete für ihn votierten. Das Klima in der Regierung ist seither vergiftet. Die Koalition brachte dann ein Gesetz durch, wonach der Generalstaatsanwalt künftig bei einer offenen Abstimmung gewählt wird. Das Verfassungsgericht schob dem jedoch einen Riegel vor.
Radicova droht mit Rücktritt, falls Trnka wieder Generalstaatsanwalt wird. Damit stünde das Schicksal der Regierung auf dem Spiel, falls sich kein Nachfolger für die Ministerpräsidentin fände. Entsprechende Spekulationen ranken sich um Justizministerin Lucia Zitnanska. Wie Radicova ist sie Repräsentantin der von Außenminister Mikulas Dzurinda geführten SDKU-DS. Anders als Radicova hat sie sich aber noch nicht offen mit dem Parteivorsitzenden angelegt.
Zwist mit Ungarn
Viele Beobachter spekulieren auf vorgezogene Neuwahlen, falls sich Radicova nicht durchsetzt. Der Abgeordnete Igor Matovic spricht davon, dass ein "Selbstmord mit System" anstehe. Matovic wurde vor einiger Zeit aus der Fraktion der neoliberalen Freiheit und Solidarität des Nationalratsvorsitzenden Richard Sulik ausgeschlossen. Seither gelten er und die drei weiteren Mitglieder der Gruppierung "Gewöhnliche Leute" als Zünglein an der Waage. Die Koalition verfügt im Parlament über 79, die Opposition über 71 Mandate. Ohne die vier Stimmen der Matovic-Gruppe hat Radicova keine Mehrheit.
Verstärkt wird die düstere Atmosphäre in der Regierung noch durch einen empfindlichen Rückschlag für Außenminister Dzurinda. Bei einem Treffen mit seinem ungarischen Amtskollegen Janos Martonyi erzielte er keinen Kompromiss bei Doppelstaatsbürgerschaften.
Angehörige der ungarischsprachigen Minderheit können seit Jahresbeginn den ungarischen Pass beantragen. In einem solchen Fall erkennt die Slowakei ihren Bürgern jedoch die Staatsangehörigkeit ab. Bratislava besteht auf einem bilateralen Vertrag mit Budapest, in dem verschiedene Ausnahmefälle erwähnt sind, in denen Slowaken Doppelstaatsbürgerschaften erlaubt sind. Aus ungarischer Sicht ist das nicht akzeptabel. Martonyi stellte aber zumindest klar, dass in der neuen ungarischen Verfassung kein Wahlrecht für Angehörige ungarischer Minderheiten verbrieft sei. Vielmehr sei es Sache beispielsweise der Slowaken, in ihrem Wahlrecht festzuschreiben, ob Angehörige der Minderheit auch in Ungarn wählen dürfen.