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Das Abgabensystem der Zukunft erfordert ein Umdenken und den Abschied von Besitzstandwahrung.
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Trotz des Scheiterns der Koalition soll die im Zuge der "Steuerreform" geplante Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen durch einen ÖVP/FPÖ-Initiativantrag noch vor der Wahl beschlossen werden. Auch wenn es sich dabei um ein - ansonsten von der ÖVP heftig angeprangertes - "Wahlzuckerl" handelt, begrüße ich diesen Schritt. Er entspricht einer langjährigen Forderung von mir und ist konjunkturpolitisch begründbar. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Steuer- und Abgabensystem tiefgreifende Reformen braucht.
Die von Türkis-Blau im April vorgelegte "Steuerreform" verdiente den Namen nicht. Eine Reform muss bei den Strukturschwächen des Abgabensystems ansetzen und neben einer Entlastung des Faktors Arbeit durch eine Ökologisierung und höhere Steuern auf Vermögen auch eine radikale Vereinfachung mit sich bringen, mit der eine massive Umverteilung und damit mehr Steuergerechtigkeit einhergehen kann.
Das Mittel der Wahl ist der "Integrierte Tarif". Obwohl einzelne Elemente des Abgabensystems durchaus kontrovers diskutiert werden - etwa die kalte Progression - fand dieses Konzept bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Was verbirgt sich hinter diesem abschreckenden Namen?
Es handelt sich um einen einheitlichen Tarif, der Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge unter einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zusammenfasst. Das bringt enorme Vereinfachungen und sorgt für Transparenz, denn zahlreiche Begünstigungen können dadurch abgeschafft werden. Derzeit greifen die SV-Beiträge schon bei geringen Einkommen, gleichzeitig aber bevorzugt die Höchstbeitragsgrundlage die hohen Einkommen. Das schwächt die Progressivität des Abgabensystems. Ein integrierter Tarif kann dagegen tatsächlich stärker progressiv gestaltet werden. Das heißt, er kann niedrige Einkommen deutlich stärker entlasten als die zahlreichen Steuerbefreiungen/-begünstigungen. Auch die steuerliche Begünstigung des 13. und 14. Gehalts, die Besser- und Höchstverdiener außerordentlich begünstigt, kann entfallen.
Um festzustellen, wie sich unterschiedliche Ausgestaltungen eines "integrierten Tarifs" auf die Verteilung auswirken, habe ich den Budgetdienst des Parlaments um eine diesbezügliche Studie ersucht. Alle Berechnungen sind aufkommensneutral und sprechen für sich. Je nach gewähltem Modell erfahren die unteren 80 bis 90 Prozent der Einkommen deutliche Entlastungen und die Umverteilungswirkung beträgt bis zu mehr als dem Siebenfachen jener der Senkung der Krankenversicherungsbeiträge.
Der "integrierte Tarif" ermöglicht radikale Vereinfachungen, den Abschied von Besitzständen und eröffnet dadurch Potenzial für Steuerentlastungen, auch und gerade für die niedrigen Einkommen.
Ein Steuersystem der Zukunft kann daran nicht vorbeigehen. Die nächste Regierung sollte beherzt an dessen Umsetzung arbeiten.
Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.