Seit 20 Jahren setzt sich der migrantische Verein maiz für Partizipation von Migrantinnen in allen gesellschaftlichen Bereichen ein.
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Linz. Radikales Cheerleading, streikende Migrantinnen, Selbstverteidigung im Internet: Seit 20 Jahren macht maiz, das autonome Zentrum von und für Migrantinnen in Linz, mit Aktivismus auf sich aufmerksam. Doch das Jubiläum sei nicht nur Anlass zum Feiern, sagt maiz-Geschäftsführerin Rubia Salgado: "Wir haben viel erreicht und bewirkt, aber betreffend der Gesetzes- und Lebenslage von Asylwerbern und Migranten in Österreich und in der EU ist noch viel zu tun." Sie kritisiert, dass Asylwerber in Österreich nicht arbeiten dürfen und dass Migranten, die ihren Familien nach Österreich folgen, schon vor der Einreise ein Deutschdiplom auf dem Niveau A1 nachweisen müssen. Das Motto der Jubiläumsveranstaltung lautet daher "trauernd trauen wir uns". "Ich finde, sie können sich durchaus feiern lassen", entgegnet Eva Schobesberger, Grüne Stadträtin in Linz, "denn es ist unglaublich, was diese Frauen auf die Füße gestellt haben."
Alltägliche Beschimpfungen
1994 haben Salgado und zwei weitere Migrantinnen aus Brasilien maiz gegründet. Zu Beginn standen Deutschkurse für lateinamerikanische Frauen und Beratung für Sexarbeiterinnen auf dem Programm, heute betreibt maiz darüber hinaus Forschung und politische Kulturarbeit, und ist im Jugend- und Bildungsbereich aktiv: Alphabetisierungskurse, auch der Hauptschulabschluss kann nachgeholt werden. "Dass wir so breit aufgestellt sind ist notwendig, um politisch wirksamer zu sein", sagt Salgado.
Die maiz-Zentrale befindet sich mitten in der Linzer Altstadt, mit acht Schaufenstern ist der Verein nach außen gewandt und gut sichtbar. "Vor allem am Anfang wurden unzählige Male Fenster eingeschlagen, und wir wurden rassistisch beschimpft", berichtet Salgado, und obwohl in den letzten Jahren kein Fenster mehr Schaden genommen hat, sind verbale Übergriffe nach wie vor Alltag. Maiz fordert Partizipation von Migranten in allen gesellschaftlichen Bereichen, Salgado: "Wir intervenieren und nehmen in der Öffentlichkeit radikale Positionen ein" - dabei stößt maiz auch auf Widerstand.
"Streitbare Kritikerinnen"
"Sie sind streitbare Kritikerinnen, ich finde das großartig, aber das tun nicht alle. Hinter maiz stehen selbstbewusste Frauen, die resolut auftreten und kommunizieren, was sie wollen", sagt Schobesberger. Sie betont, der Verein spiele in Linz auch deshalb eine so große Rolle, weil er Zielgruppen erreicht, die für die Stadt schwer zugänglich sind.
Auch bei der Jubiläumsfeier an diesem Wochenende setzt maiz auf Irritation: Am Freitag wird die "Universität der Ignoranten" gegründet: "Wir wollen einen Raum der politischen Bildung außerhalb der ökonomischen Verwertung schaffen", sagt Salgado. Auf dieser alternativen Universität sollen Migranten Kurse anbieten und ihr Wissen weitergeben. Die Eröffnungsdiskussion startet um 18 Uhr und ist prominent besetzt: Unter anderem wird die indische Theoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak zum Thema "Strategien der Wissensverdauung, -zersetzung, -herstellung" debattieren.
Gayatri Chakravorty Spivak, Professorin für Literaturwissenschaft und Direktorin des Center for Comparative Literature and Society an der Columbia University in New York, gilt als Mitbegründerin der postkolonialen Theorie. Sie beschäftigt sich mit Literatur aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Feminismus, Marxismus, Dekonstruktion und Globalisierung.
Programm (Auszug):Freitag 14. Nov.
18 - 20 Uhr Eröffnung Uni der Ignoranten, Diskussion mit Gayatri Chakravorty Spivak und maiz-Frauen.
20 - 22 Uhr Buchpräsentation: "20 Jahre maiz. Ich erinnere mich nicht"
Samstag 15. Nov.
9 Uhr 30 Uni der Ignoranten, 10 - 16 Uhr 30 Workshops und Vorträge, 17 - 18 Uhr Performance Umzug zu maiz/Hofgasse, 18 - 20 Uhr Ausstellung "Bord" - Eröffnung mit María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan (maiz - Schaufenstergalerie) Dinner: Anthropophagische Suppe, mit weißem
Fleisch und harten echten europäisches Knochen!
FEST ab 20 Uhr 30: maiz in Gespräch mit Politiker_innen, Musik: Felix Murning & Eliana Graciela: Sambas Cariocas / KUJDES, we come!: Musikperformance / Yüksel Omac & Dilan Acelya Omac: Türkische Volksmusik / Yow Sino & La Morena del Flow: Latino Musik / Selbstlaut (Hip Hop) / DJane Xhejlane Rexhepi, dj ndidi / D.J.Y. Rafa Beznos (Borderless music) / DJ Bobo Paulino (Dominican music) / Performances: Dar el si radical con la novia (Lia La Novia) / Pfusch Baustelle Collective / Solange to Aberta (Pedro Costa)
Sonntag 16. Nov.
13 - 14 Uhr 30 Brunch, 14 Uhr 30 - 17 Uhr Utopisches Annähe(r)n, Referent_innen: Yuderkys Espinosa, Marina Grzinic, Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Araba Johnston-Arthur, Pelin Tan
17 - 18 Uhr 30 Buchpräsentation: "pädagogische reflexivität in der basisbildung" (2014) maiz "Utopia of Alliances, Conditions of Impossibilities and the Vocabulary of Decoloniality" (2013) mit Marina Grzinic und Ko-Autorinnen*: Tania Araújo, Luzenir Caixeta, Petja Dimitrova, Marissa Lôbo, Rúbia Salgado. www.maiz.at