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Radikale Vision

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Es ist eine radikale Vision, die Julian Assange antreibt. Informationsfreiheit fordert der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks. Zwar nur für "Herrschaftswissen", aber wer entscheidet, was den Mächtigen dient und was nicht? Herrschaft wird - ganz im Sinne Assanges - dadurch unmöglich. Auch demokratisch legitimierte Herrschaft. Orwells Albtraum wäre in sein Gegenteil gekehrt.


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Ob das wünschenswert wäre, ist eine andere Frage. Assange denkt auf jeden Fall die Möglichkeiten des Internets bis zur letzten Konsequenz durch. Das hilft, sich Klarheit zu verschaffen über die Vor- und die Nachteile einer Welt, die wir möglicherweise gerade erschaffen.

Wichtig dabei ist, sich eines vor Augen zu führen: Mit Freiheit hat das alles nichts zu tun. Die nämlich verlangt nach Schutzräumen, privaten wie gesellschaftlichen. Was sich anfangs nur gegen die herrschenden Strukturen richtet, wird sich am Ende gegen jeden Einzelnen richten. Nichts wäre mehr privat, nichts mehr den Augen der Öffentlichkeit entzogen - weder das Wahlrecht noch der Kontostand oder ein x-beliebiges Telefongespräch. Assange mag das vielleicht nicht wollen, es wäre aber nur die logische Konsequenz.

Natürlich würde in der sich daraus ergebenden Datenflut jede einzelne Information untergehen. Niemand, kein Super-Computer und kein Herrschaftssystem, könnte diese Informationsmengen kontrollieren und für die eigenen Zwecke nutzen, ja nicht einmal mehr sinnvoll ordnen könnte man sie. Darin besteht für Assange und seine Anhänger der Zugewinn an Freiheit.

Der allerdings ist relativ, wenn man bedenkt, dass jeder Datensatz willkürlich aus der Masse an die Öffentlichkeit gezerrt werden kann. Ständig und von jedem. Einfach nur so. Willkürlich. Ganz ähnlich funktioniert auch die Angst vor dem Terror in totalitären Staaten. Diese ist allgegenwärtig und kann jeden zu jeder Zeit treffen. Einfach so.

In Assanges Vision gibt es auch keinen Platz für unabhängige Medien als vierte Gewalt in der Demokratie. Deren Aufgabe besteht - zumindest in einer idealen Welt - darin, Fälle von Machtmissbrauch aus der Informationsflut herauszufiltern und öffentlich zu machen. Das ist nichts anderes als eine andere Form von Machtausübung. Die aber will Assange beseitigen. Radikal.