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Radikaler Schwenk zur Mitte

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

US-Präsident sucht Nähe zur Wirtschaft. | Mehr privat und weniger Staat soll Wiederwahl sichern. | Washington/Wien.Barack Obama erfindet sich neu als Unternehmerfreund - und wandelt auf den Spuren von Vorvorgänger Bill Clinton, dessen Draht zu den Wirtschaftsbossen legendär war. Hinter der Kurskorrektur steckt Kalkül: Die Pattstellung im Kongress, die Obama zwingt, Kompromisse mit den Republikanern einzugehen, ist nur zum Teil dafür verantwortlich.


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Obama muss es vielmehr schaffen, rechtzeitig vor den Wahlen 2012 sein Image als Verstaatlicher und Anhänger von "Big government", also eines mächtigen Staates, abzuschütteln. Viele Unternehmer werfen dem Präsidenten vor, die Wirtschaft in ein enges Korsett von Regeln zu zwängen: von der Gesundheitsreform über die Finanzmarktregulierung bis hin zum Klimaschutz.

Das Argument, damit werde die Konjunktur abgewürgt und Arbeitslosigkeit gefördert, fällt auf fruchtbaren Boden: Schließlich ist in den USA jede Ausweitung des Staatseinflusses verdächtig, ein Schritt in Richtung Kommunismus zu sein - besonders unter den Anhängern der extrem konservativen Tea-Party-Bewegung. Dass Bankenrettungen, Konjunkturspritzen und Stützungsmaßnahmen wie in fast allen Industriestaaten eine Reaktion auf die Krise waren, verschweigen die oppositionellen Republikaner gerne.

Der neue Spitzenberater kann als Zugeständnis an konservativere Klientel gesehen werden: Jeffrey Immelt, Chef des Mischkonzerns General Electric, ist ein flammender Fürsprecher einer starken, florierenden Privatwirtschaft. Mit William Daley hatte sich Obama schon vor etwa zwei Wochen einen ehemaligen Clinton-Berater und Ex-Topmanager einer Großbank als Stabschef geholt - ebenfalls eine Geste in Richtung Republikaner, die sich als Advokaten der Finanzindustrie verstehen. Deren Feindbild räumt seinen Platz im Beraterstab: Die Aufgabe des 83-jährigen Ex-Notenbankchefs Paul Volcker war es gewesen, der Wall-Street-Lobby Paroli zu bieten und die Regulierung voranzutreiben.

Damit bleibt sein Name verbunden: Die "Volcker-Regel" sieht vor, dass Banken nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern nur im Kundenauftrag spekulieren dürfen. Die Finanzlobby erreichte freilich substanzielle Abschwächungen: Banken dürfen teilweise doch in Hedgefonds und Unternehmensfinanzierer investieren - und bauen dafür bereits eigene Fonds auf.

Womöglich erhält Volcker später noch eine Chance: Sollte die Inflation außer Kontrolle geraten, wäre er die Top-Adresse. Schließlich hat er Anfang der 1980er als Notenbankchef die zweistelligen Inflationsraten unter Kontrolle gebracht. Er weiß, wie man Zinserhöhungen gegen große Widerstände durchdrückt.

Porträt - Seite 12