Ensaf Haidar nahm für ihren inhaftierten Mann die Auszeichnung in Straßburg entgegen.
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Straßburg. Mit minutenlangen Ovationen, emotionalen Reden und einer sehr klaren Botschaft für die Meinungsfreiheit wurde am Mittwoch der Sacharow-Preis stellvertretend an Ensaf Haidar, der Ehefrau des regimekritischen saudischen Bloggers Raif Badawi, übergeben. Badawi, der in einem Spezialgefängnis des sausischen Königsreichs sitzt und im Hungerstreik ist, konnte den mit 50.000 Euro dotierten EU-Menschenrechtspreis für geistige Freiheit nicht selbst in Empfang nehmen. Das Europäische Parlament forderte einmal mehr seine sofortige Freilassung.
"Im Namen von uns allen fordere ich erneut König Salman bin Abdulaziz al-Saud auf, Raif Badawi zu begnadigen und ihn sofort und ohne Auflagen freizulassen", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, bevor Haidar in ihrer Dankesrede zu einer Schweigeminute für die Opfer der Terroranschläge aufrief. "Raif ist kein Verbrecher. Er hat niemanden verletzt, er ist ein Freidenker. Ihm wird vorgeworfen, dass er seine Stimme frei erhoben hat", sagte seine Frau. "Er träumt von einer besseren Welt, die Andersdenkende akzeptiert."
15. Auszeichnung
Der Sacharow-Preis ist bereits die 15. Auszeichnung für Badawi in diesem Jahr. Die Preisverleihung im EU-Parlament bezeichnete Ensaf Haidar als "historischen Augenblick". Die Medien und die Politiker dürften sich nicht einschüchtern lassen und müssten weiter für Raif kämpfen. Schulz sagte ihr weitere Unterstützung zu. "Ich hoffe sehr, dass wir Raif Badawi in naher Zukunft persönlich hier im Plenarsaal empfangen können", stellte er klar. Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas nannte es inakzeptabel, dass Saudi-Arabien Badawi daran hindere, an der Verleihung des Sacharow-Preises teilzunehmen, und der Blogger in Isolationshaft sei. Dies sei "ein Schlag ins Gesicht der Menschenrechte".
Geht es nach dem SPÖ Abgeordneten Josef Weidenholzer, so sollte die Preisverleihung ein Umdenken in Saudi-Arabien befördern. "Mein größter Wunsch ist, dass Raif Badawi unverzüglich freigelassen wird und zu seiner Frau und seinen Kindern reisen darf", so Weidenholzer. "Die Einhaltung der Menschenrechte müssen Prüfstein für unsere Beziehungen zu Saudi-Arabien sein. Wir drängen unmissverständlich darauf, dass die Menschenrechte eingehalten werden", erklärte der Parlamentarier.
Über eines war man sich in Straßburg einig: Der Fall des regierungskritischen saudi-arabischen Bloggers und Wirtschaftswissenschaftlers, der seit 2012 in Haft ist, weil er für Meinungs- und Religionsfreiheit plädiert hatte, erhält durch die Verleihung des Sacharow-Preises 2015 erneut weltweite Aufmerksamkeit.
Diese Aufmerksamkeit will die Ehefrau weiter nutzen, um ihren Mann freizubekommen. Die 35-Jährige lebt in Kanada, rund 9800 Kilometer entfernt von ihrem Mann, und kämpft seit Monaten unermüdlich für seine Freilassung.
1000 Stockhiebe
Im Mai 2014 wurde Badawi zu zehn Jahren Haft, einem 20-jährigen Arbeitsverbot, 1000 Stockschlägen und einer Geldstrafe verurteilt, weil er in einem Internetforum Religionsfreiheit forderte und deshalb den Islam beleidigt haben soll. 50 Stockschläge hat er Anfang Jänner 2015 vor einer Moschee in der saudi-arabischen Hafenstadt Jeddah bereits erhalten. Die weiteren Tranchen wurden offiziell "aus gesundheitlichen Gründen", vermutlich aber auch wegen des internationalen Drucks, immer wieder verschoben. Derweil wurde auch sein Anwalt zu 15 Jahren Haft verurteilt.