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Raiffeisen gerät im Streit mit St. Pölten in Bredouille

Von Karl Leban

Wirtschaft

Stadt will alle Marktwertberechnungen zu Spekulationsgeschäft checken lassen.


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Wien. Der Jubel im Rathaus von St. Pölten währte nur kurz. Hatte die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien der Stadt vor wenigen Tagen zunächst verkündet, ihr Spekulationsgeschäft sei nicht mit einem zweistelligen Millionenbetrag unter Wasser, sondern mit 1,2 Millionen Euro im Plus, machte sie wenig später einen Rückzieher. Demnach sei das Geschäft so wie bisher weiter im Minus, man habe einen bedauerlichen Rechenfehler begangen.

Dass eine Bank Probleme beim Rechnen hat, ist alles andere als vertrauensfördernd. Der Chef der RLB NÖ-Wien, Klaus Buchleitner, kommentiert den peinlichen Vorfall mit lediglich zwei Sätzen: "Es ist ein offensichtlicher Rechenfehler gewesen. Geht man damit in die Medien, ist das eine klare Botschaft." Mehr ließ er sich am Donnerstag in der RLB-Bilanzpressekonferenz nicht entlocken.

Doch damit ist die Sache noch nicht abgehakt. Denn im Rechtsstreit zwischen St. Pölten und der RLB - seit mehr als einem Jahr läuft ein Gerichtsverfahren rund um das besagte Verlustgeschäft - wird der Rechenfehler nun ein juristisches Nachspiel haben.

"Offensichtlich versteht ja nicht einmal die Bank, was sie uns da verkauft hat", poltert St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler. "Wenn sich eine Bank um dutzende Millionen verrechnet, lässt das nicht nur Rückschlüsse auf die Seriosität der verkauften Geschäfte zu, sondern es ist auch zu hinterfragen, wieweit die uns bisher vorgelegten Marktwertberechnungen überhaupt stimmen." Lukas Aigner, Anwalt der niederösterreichischen Landeshauptstadt, hält dazu fest: "Es wird nun an einem Gerichtsgutachter liegen, die von der Bank vorgelegten Kalkulationen nachzuprüfen."

Bruck/Leitha pocht auf Geld

Bei dem umstrittenen Geschäft handelt es sich um eine hochkomplexe Finanzwette auf den Euro-Franken-Kurs. Da der Euro seit fast drei Jahren unter der Marke von 1,41 Franken notiert, sitzt St. Pölten auf Verlusten. Die sollen aktuell mehr als 80 Millionen Euro betragen. Das Geschäft hat eine Laufzeit bis 2028.

Neben St. Pölten streitet sich in Niederösterreich auch die Gemeinde Bruck/Leitha mit der RLB vor Gericht. Ihr war ein ähnliches Geschäft verkauft worden, das 2008 auslief. Bruck/Leitha fordert von der Bank 355.000 Euro retour.

2012 war für die RLB NÖ-Wien laut ihrem Chef Buchleitner ein "turbulentes Jahr". Die niedrigen Zinsen, sinkende Margen und ein Buchverlust von 80 Millionen Euro beim Verkauf einer Bankbeteiligung in Ungarn ließen den Konzerngewinn von 111 auf 23 Millionen Euro schmelzen. Gut lief es hingegen bei den 70 NÖ-Raiffeisenbanken, deren Gewinn kumuliert um knapp ein Drittel auf 114 Millionen Euro zulegte.

Indes setzte es für die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien rote Zahlen. Die Holding, an der rund 700 Beteiligungen hängen (darunter vor allem RLB NÖ-Wien, Agrana, Strabag, Leipnik, NÖM und "Kurier"), schrieb mit einem Minus von 26 Millionen Euro den ersten Verlust in ihrer Geschichte. 2011 hatte es noch 150 Millionen Euro Gewinn gegeben. Grund für den tiefen Fall waren u. a. hohe Sanierungskosten für die mittlerweile verkaufte Plakatwerbefirma Epamedia. Für 2013 sind rund 170 Millionen Euro Gewinn angepeilt.