Die breit aufgestellte Bankengruppe will bei Insolvenzen nicht mehr für fremde Sparkunden "bluten" müssen.
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Die beiden Pleitefälle Commerzialbank und Anglo Austrian Bank (vormals Meinl Bank) sind Raiffeisen teuer zu stehen gekommen. Fast eine Viertel Milliarde Euro kostete es die Bankengruppe mit dem Giebelkreuz-Logo in Summe, um Sparkunden dieser Institute über die Einlagensicherung Austria (ESA) zu entschädigen. Raiffeisen will der ESA, der neben Aktienbanken wie Bawag und Bank Austria auch Privatbanken sowie die Volksbanken und die Hypos angehören, deshalb den Rücken kehren und wieder - wie noch bis vor zweieinhalb Jahren - ein eigenes System zur Sicherung von Kundeneinlagen haben. Mittlerweile ist der Weg dafür frei.
"Die Aufsichtsbehörden (Europäische Zentralbank und Finanzmarktaufsicht, Anm.) haben alle erforderlichen Genehmigungen für die Errichtung einer eigenen Raiffeisen-Einlagensicherung erteilt", sagt Johannes Rehulka, Geschäftsführer des Fachverbandes der Raiffeisenbanken. "Mit Ende 2021 scheiden die Raiffeisenbanken aus der allgemeinen Einlagensicherung, der Einlagensicherung Austria, aus und wechseln in die neue Raiffeisen-Einlagensicherung."
Für Sparer ändere sich nichts, erklärt Rehulka im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" weiter. "So wie bisher ist jeder Kunde in Österreich mit bis zu 100.000 Euro pro Bank gesetzlich abgesichert, egal welcher Einlagensicherung er angehört."
Frühwarn- und Haftungssysteme
Künftig wollen die Raiffeisenbanken also wieder unter sich bleiben und im Insolvenzfall nicht mehr für die Sparkunden fremder Institute gerade stehen müssen. Ihr Konstrukt zum Schutz der eigenen Sparkunden wird jedenfalls Teil jenes Institutssicherungssystems innerhalb der Bankengruppe sein, bei dem Frühwarn- und Haftungssysteme eine wichtige Rolle spielen. "Eine Insolvenz einer Raiffeisenbank ist da nahezu ausgeschlossen", so Rehulka. Sollte es dennoch einmal zu einer Schieflage kommen, würden die Banken des Sektors das betroffene Institut auffangen.
In der Vergangenheit gab es in Österreich lange Zeit fünf sektorale Einlagensicherungssysteme: der Aktienbanken, der Sparkassen, der Raiffeisenbanken, der Volksbanken und der Hypos. Daraus gingen Anfang 2019 - nach einer gesetzlichen Neuaufstellung der Einlagensicherung - zwei Einrichtungen hervor: die ESA und die Sparkassen-Haftungs GmbH. Mit Raiffeisen steigt die Zahl der Risikogemeinschaften wieder.
Dem Gesetz nach dürfen Banken nur dann ein eigenes Sicherungssystem ins Leben rufen, wenn mindestens 15 Prozent aller gedeckten Einlagen in Österreich auf sie entfallen. Da Raiffeisen diese Bedingung als Bankengruppe erfüllt, konnten die Aufsichtsbehörden nicht anders, als die Pläne der Giebelkreuzer per Bescheid abzusegnen.
Bei ESA bleiben nur 5 von 360 Raiffeisenbanken
Ende Mai habe Raiffeisen die Einlagensicherung Austria schriftlich darüber informiert, dass ihr eigenes Einlagensicherungssystem von den Behörden bewilligt worden sei und ihr Austritt aus der ESA in den kommenden sechs Monaten erfolgen werde, sagt ESA-Geschäftsführer Stefan Tacke. Damit ist klar, dass der Austritt noch heuer vollzogen wird.
"Bis auf vier kleine Banken und eine Spezialbank, die Notartreuhandbank, werden alle Banken des Raiffeisen-Sektors in das neue Konstrukt wechseln", so Tacke zur "Wiener Zeitung". Bisher hat die Gruppe mit 360 Banken die meisten der insgesamt 422 ESA-Mitglieder gestellt, während die Bank Austria das größte Einzelinstitut der ESA ist. Laut Tacke nimmt Raiffeisen im Zuge des Wechsels 45 Prozent der gedeckten Einlagen mit. Dies entspricht rund 88 Milliarden Euro. Künftig verbleiben der ESA somit etwas mehr als 100 Milliarden Euro an gesicherten Einlagen.
Auch ohne Raiffeisen werde man weiterhin "voll funktionstüchtig" sein, bekräftigt Tacke. Aktuell ist der Sicherungstopf der ESA wieder mit rund 440 Millionen Euro gefüllt. "Wir sind nach wie vor in der Aufbauphase", sagt Tacke. Entsprechend den EU-Vorgaben gelte es, die "Kriegskassa" bis 2024 auf eine Zielquote von 0,8 Prozent der gesicherten Einlagen zu bringen.