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Raiffeisen im russischen Winter

Von Marina Delcheva

Politik

Abwertungen in Russland und der Ukraine kosten RBI ein Prozent ihres Eigenkapitals. Dividenden für 2014 "nicht erwartet".


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Wien. Es scheint das Jahr der "Worst Case"-Szenarien im Hause Raiffeisen zu sein. Erstmals in ihrer Geschichte wird die Bank dieses Jahr tiefrot abschließen. Wegen hoher Abschreibungen in der Ukraine und Ungarn wird ein Verlust von bis zu einer halben Milliarde Euro befürchtet. Zusätzlich macht der unaufhaltsame Rubelverfall den Giebelkreuzern zu schaffen. "Das ist kein einfaches Jahr", sagt Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen-Zentralbank (RZB), der Mehrheitseigentümerin der Raiffeisen International (RBI), am Donnerstag vor Journalisten.

Filialschließungen in Ukraine

Die Entwicklungen in der Ukraine haben rückblickend die schlimmsten Erwartungen erfüllt. "Die Wirtschaftsregionen Donezk und Lugansk sind so gut wie lahmgelegt", erklärt Johannes Strobl, Risikovorstand der RBI. Im Zuge des Konflikts hat die Bank ihre 32 Filialen auf der Krim verkauft. In den Krisenregionen Donez und Lugansk musste sie 50 Geschäftsstellen schließen. Die übrigen 30 machen nur auf, wenn die Sicherheitslage das zulässt.

In Zuge der Kampfhandlungen sind viele Menschen geflohen und Infrastruktur wurde zerstört. 40 Prozent der Kredite gelten in der Ukraine als uneinbringlich. Hinzu kommt eine massive Abwertung der ukrainischen Hrywnja. In den ersten neun Monaten des Jahres musste die RBI dort Verluste von 138 Millionen Euro hinnehmen.

Ungarn ist das zweite große Sorgenkind des Konzerns. Aufgrund einer umstrittenen Gesetzesänderung muss die RBI dort zahlreiche Fremdwährungskredite neu berechnen. In den ersten drei Quartalen hat die RBI dort 301 Millionen Euro verloren. Hinzu kommt eine ungewöhnlich hohe Bankensteuer, welche die RBI-Tochter zirka 40 Millionen Euro kosten könnte. "Ungarn bleibt bis auf Weiteres unattraktiv", erklärt Strobl. Über einen möglichen Verkauf der Ungarn-Tochter wollten sich die Vorstände nicht äußern. Das Dogma "Wir halten am Ungarngeschäft fest" scheint jedoch leicht aufgeweicht.

Der Rubel stockt

Die größte Cash-Cow im Raiffeisenkonzern war bisher Russland. Im Vorjahr hat die RBI dort 469 Millionen Euro Gewinn gemacht, bei 577 Millionen Euro Nettogewinn insgesamt. Heuer lag der Gewinn in den ersten drei Quartalen bei 289 Millionen - trotz Krise und Sanktionen. RBI-Chef Karl Sevelda nennt das Russland-Geschäft im Ö1-Mittagsjournal "eine Säule in unserem Geschäftsmodell".

Doch die Säule trägt nicht mehr ganz so gut. Die Währungsabwertungen in der Ukraine und in Russland haben das konsolidierte Eigenkapital der RBI um einen Prozentpunkt geschmälert. Ursächlich dafür verantwortlich ist der jüngste Rubeleinbruch. Vor einem Jahr hat ein Euro noch 45 Rubel gekostet, am Donnerstag waren es schon 73. Der russische Anteil am RBI-Gesamtergebnis werde deshalb heuer und auch in den kommenden Jahren wohl etwas geringer ausfallen, erklärt Sevelda im Interview. Weil die Gewinne in Rubel ausgewiesen werden und dieser im Sinkflug ist, würden die Anteile dementsprechend kleiner.

Die schwache Wirtschaft wird dem Finanzinstitut auch 2015 zu schaffen machen. Derzeit hat Russland eine für Osteuropa ungewohnt niedrige Kreditausfallsrate von zirka fünf Prozent. Die RBI hat in Russland offene Kredite in der Höhe von zehn Milliarden Euro bei einem Eigenkapital von zwei Milliarden. Die russische Nationalbank hat für kommendes Jahr ein Wachstumsminus von fünf Prozent prognostiziert. Wenn es in dieser Zeit zu einer starken Inflation mit entsprechenden nominellen Lohnerhöhungen kommt, würden sich die Privatkunden quasi entschulden. Wenn es allerdings zur erwarteten Rezession kommt, ohne Lohnanpassung, rechnet die RBI mit höheren Kreditausfallsraten. Risikovorstand Strobl erklärt, dass eine Bewertung vor wenigen Tagen ergeben hätte, dass keine Abschreibungen aufgrund des schwachen Rubels nötig seien. Ganz auszuschließen sei dieses Szenario allerdings nicht, deshalb werde weiterhin laufend nachgerechnet.

Angesichts der Gewinnwarnung wird auch die Dividende der RBI für 2014 ausfallen. "Wenn Sie mich als Aktionär fragen, muss ich sagen, dass ich mit keiner Dividende rechne", sagt Strobl. Der Vorstand wolle im Februar oder März über allfällige Ausschüttungen entscheiden. Die RBI gehört zu 60,7 Prozent der RZB, die wiederum in Besitz der acht Raiffeisenlandesbanken ist. In der Vergangenheit haben RZB und die Landesbanken von teils üppigen Dividenden-Zahlungen profitiert. Wenn diese ausbleiben, dann schmälert das die Gewinne der einzelnen Landesbanken. Jedenfalls setzt die RZB ihren umfassenden Sparkurs fort und plant, den Mitarbeiterbestand von derzeit 1300 auf unter 1000 Mitarbeiter bis 2017 zu reduzieren. Ein Großteil des Abbaus werde aber über Fluktuation und Ruhestände abgewickelt, heißt es seitens des Vorstands.

Am Donnerstag hat indes die Nationalbank per Schreiben der Raiffeisen bescheinigt, keine Verletzung der Sanktionen beim Russlandgeschäft festgestellt zu haben. US- und EU-Behörden haben nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg geprüft, ob ein Geschäft der Moskau-Tochter ZAO Raiffeisenbank als Co-Managerin eines zehn Milliarden Rubel schweren Bondverkaufs durch die russische Bank VEB gegen die Sanktionen des Westens gegen Russland verstoßen haben könnte. Beim Deal habe es sich um ein rein lokales Geschäft ohne Beteiligung der RBI gehandelt, so die Argumentation der österreichischen Bank.