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"Raiffeisen-Lagerhaustürme sind erheblich hässlicher als Windräder"

Von Stefan Janny

Reflexionen

Kritik an Beimischung von Ethanol zu Treibstoff "leicht hysterisch". | Atomkraft ist kein Weg zur Lösung des Klimaproblems. | Fußball-Euro "eine flaue Geschichte". | "Wiener Zeitung": Als ehemalige Grünen-Abgeordnete müssten Sie die stark gestiegenen Energiepreise freuen, weil sie Effekte wie eine Ökosteuer haben und das Energiesparen fördern. . .


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Monika Langthaler: Ich bin tatsächlich überzeugt davon, dass es gerade in der Industrie zu einem enormen Schub in effizienter Ressourcennutzung kommen wird.

Im privaten Bereich werden die Auswirkungen, etwa in Form von weniger Autofahrten, vermutlich noch etwas länger auf sich warten lassen. Mobilität hat sehr viel mit Verhaltensänderungen zu tun, und so etwas braucht seine Zeit.

Das hieße, dass zur Eindämmung des privaten Energieverbrauchs gesetzliche Maßnahmen notwendig wären?

Ich glaube, dass sich die Menschen künftig überlegen werden, ob sie kurze Strecken mit dem Auto zurücklegen müssen. Wenn die Preise weiter steigen, werden die Leute von selbst wieder mehr zu Fuß gehen und mit dem Rad fahren.

Was aber natürlich nichts daran ändert, dass wir für längere Strecken andere Lösungen, neue Antriebssysteme brauchen: Biotreibstoffe, Gasautos, Hybridantriebe und irgendwann auch Elektrofahrzeuge. Es wird da zu einem Mix kommen und dadurch zu einer Veränderung und zu einer Reduzierung des Erdölverbrauches.

Sind Biotreibstoffe aus rein ökologischer Sicht sinnvoll?

Zu einem gewissen Prozentsatz sind sie sehr sinnvoll, wenn sie vernünftig produziert werden. Eine Beimischung von fünf oder zehn Prozent Bioethanol bis 2020 ist bei Benzin in Europa möglich, ohne

dass große Landstriche in der Welt verhungern oder verarmen.

Wenn ich aber Gentechnik anwende und auch noch Pestizide ohne Ende einsetze, ist es problematisch. Manche Aspekte der aktuellen Diskussion und der nunmehrigen Kritik an Biotreibstoffen halte ich allerdings für leicht hysterisch.

Existiert zwischen der stark zunehmenden Nachfrage nach Biotreibstoffen und den drastisch gestiegenen Weltmarktpreisen für Lebensmittel ein Zusammenhang?

Es gibt schon einen kleinen Zusammenhang, aber er wird überschätzt. Die Ursachen sind vielfältig: Missernten in Australien beispielsweise; wohl als Folge des Klimawandels gab es gerade auch in Asien Missernten; und es gibt Finanzspekulationen, die teilweise durch die Diskussionen über Biotreibstoffe motiviert sind. Und natürlich hat der rasche Aufbau großer Produktionskapazitäten für Bioethanol in den USA Auswirkungen auf den Preis von Mais.

Aber es ist ein Bündel an Entwicklungen, die teilweise sehr unglücklich zusammengefallen sind. Deshalb aber Biotreibstoffe gleich grundsätzlich in Frage zu stellen, halte ich für falsch und übertrieben.

Eine der in Bezug auf den CO2-Ausstoß saubersten Energieformen ist Atomkraft.

Sauber? Ich weiß nicht, ob die Gewinnung des Rohstoffes Uran so sauber ist. Ich bin nach wie vor überzeugte AKW-Gegnerin und halte die Atomkraft für eine nicht vertretbare Technologie. Dass die Atomenergie das Klimaproblem lösen kann, wie von manchen jetzt argumentiert wird, ist absoluter Schwachsinn. Dazu bräuchte man auf der ganzen Welt so viele Atomkraftwerke, für die es weder die Ressourcen, das Geld und schon gar nicht die Akzeptanz gibt.

Aber könnte eine verstärkte Nutzung von Atomkraft nicht doch Teil eines Maßnahmenbündels zur Linderung des Klimaproblems sein?

Ich war aus zwei Gründen immer eine Gegnerin der Atomkraft: Erstens ist die Frage der Endlagerung ungelöst und bleibt unlösbar. Man hat da ein Restprodukt, das über Jahrhunderte strahlt und für die nächsten Generationen ein enormes Gefahrenpotenzial darstellt. Und zweitens halte ich den Betrieb von Atomkraftwerken, auch wenn er sicherer geworden ist, als er in den sechziger und siebziger Jahren war, immer noch für viel zu gefährlich. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns eine so gefährliche Technologie ersparen können.. .

... und nehmen die Klimafolgen, die ein solcher Verzicht nach sich zieht, einfach hin?

Die Frage, die Sie stellen, beruht darauf, dass Sie glauben, die Atomkraft sei eine Lösung für den Klimawandel, und das bestreite ich. Die Frage impliziert: Wer für die Rettung des Klimas ist, muss für die Atomkraft sein.

Dass Atomkraftwerke für das Klima weniger schädlich sind als kalorische Kraftwerke, bestreiten Sie aber nicht?

Das bestreite ich nicht. Gegen Atomkraftwerke sprechen andere Argumente. Zu unterstellen, dass jemand, der gegen Atomkraftwerke ist, hinnimmt, dass der Klimawandel stattfindet, finde ich perfid und lehne ich ab.

Ist es richtig, im türkischen Ilisu einen Staudamm zu bauen?

Nein, das ist falsch.

Atomkraftwerke sind nicht akzeptabel, große Wasserkraftwerke sind es nicht. Woher soll dann künftig die saubere Energie kommen?

Ich habe nicht gesagt, dass große Wasserkraftwerke nicht akzeptabel sind. Aber ich halte es für falsch, wie im Fall Ilisu, Millionen von Menschen umzusiedeln, Kulturgüter zu zerstören, ohne Konsens gegen eine breite Bevölkerungsgruppe zu agieren und Umweltgefahren auf sich zu nehmen.

Ich bin sehr dafür, dass man Wasserkraftwerke baut. Ich glaube, dass es in Österreich und anderen Ländern - auch der Türkei - Potenzial für Wasserkraft gibt. Ich halte es aber für wichtig, dass man auch in diesen Ländern Umweltverträglichkeitsprüfungen durchführt und einhält.

Wo gibt es in Österreich Potenzial für Wasserkraftwerke? In den westlichen Bundesländern gibt es sicher noch Potenzial, um bestehende Wasserkraftwerke effizienter zu machen und neue Kraftwerke zu errichten.

Wo immer ein Wasserkraftwerk gebaut werden soll, bildet sich aber meist massiver Widerstand von Bürgerinitiativen und Umweltschützern.

Leider nicht nur bei Wasserkraft, sondern mittlerweile auch bei Windkraft, was ich noch absurder finde. Inzwischen gibt es recht gute Umweltgesetze, und wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung positiv endet, bin ich dafür, dass auch gebaut wird.

Sie selbst würde es also nicht stören, wenn Sie von der Terrasse Ihres Landsitzes auf große Windräder blicken?

Ich schaue von meinem Landsitz bereits auf Windräder und kann die ästhetische Ablehnung nicht ganz nachvollziehen. Mich stören die Raiffeisen-Lagerhaustürme, die es in fast jeder Landgemeinde gibt, viel mehr. Die sind erheblich hässlicher als Windräder.

Dass Sie Raiffeisen-Lagerhaustürme hässlich finden, wird Sie bei der ÖVP, die mit Ihnen bei der letzten Landtagswahl in Niederösterreich Wahlwerbung gemacht hat, aber nicht beliebter machen.

Daraus schließen Sie, dass ich jetzt nur noch so rede, dass alle, die irgendwann in ihrem Leben ÖVP gewählt haben, mit allem einverstanden sind, was ich sage? Ein einfach gestricktes österreichisches Vorurteil.

Zwischen irgendwann ÖVP gewählt haben und der Abbildung auf ÖVP-Wahl-Inseraten besteht ein Unterschied.

Das ist mir bekannt. Dieses Inserat, von dem ich vorab nichts gewusst habe, hat mich nicht gefreut und ich habe das auch kundgetan. Die ÖVP hat sich auch dafür entschuldigt. Faktum ist, dass ich bei einem Programmkongress der ÖVP aufgetreten bin - und nicht mehr. Ich bin jetzt zwar in erster Linie Unternehmerin, aber trotzdem ein politischer Mensch geblieben.

Mir sind nach wie vor ganz viele Ideen, welche die Grünen vertreten, sehr nahe. Das bedeutet aber nicht, dass ich alles unsinnig finde, was ÖVP oder SPÖ fordern. Wenn mich Werner Faymann zu einer Diskussion bittet, oder wenn mich Alexander Van der Bellen einlädt, komme ich auch.

Sie haben das Nachhaltigkeitskonzept für die Fußballeuropameisterschaft entwickelt. Wie beurteilen Sie den Ablauf der Euro?

Ich bin ein bisschen traurig, dass die Begeisterung für die Euro in Österreich so gering war. Ich war bei der Weltmeisterschaft in Deutschland, da war super Partystimmung und die Einheimischen waren irrsinnig stolz darauf, Austragungsort für die Weltmeisterschaft zu sein.

In Österreich habe ich das Gefühl, dass die meisten das als lästiges Übel empfanden und eher eine Minderheit Freude an den Spielen hatte. Das finde ich schade, weil es ein sehr gut organisiertes Event war.

Das lag vielleicht daran, dass die österreichische Fußball-Nationalmannschaft nicht wirklich erfolgreich war?

Absolut richtig. Hätte Österreich gegen Deutschland gewonnen, wäre sicher eine Welle der Begeisterung entstanden.

Aber das Ganze war schon von Beginn an eine flaue Geschichte. Schade.

Zur PersonMonika Langthaler wurde 1965 in Niederösterreich geboren und besuchte in St. Pölten das Gymnasium. Danach absolvierte sie ein Kolleg für technische Chemie, das sie mit einem HTL-Abschluss beendete.

Langthaler wurde Assistentin am Institut für Mikrobiologie der Universität für Bodenkultur und war später am Österreichischen Ökologieinstitut tätig, wo sie häufig von Bürgerinitiativen konsultiert wurde. So kam sie mit den Grünen in Kontakt, von denen sie 1990 im Alter von 25 Jahren als damals jüngste Abgeordnete in den Nationalrat entsandt wurde, wo sie als Umweltsprecherin fungierte. Parallel zur Abgeordnetentätigkeit studierte sie Umweltmanagement am Wye College der University of London.

1999 gründete sie nach ihrem Ausscheiden aus der Politik das Lobbying- und Beratungsunternehmen Brainbows, zu dessen Kunden Umweltorganisationen, mehrere Ministerien sowie Unternehmen wie ÖBB, Verbund und Asfinag zählen. Zuletzt wurde das Nachhaltigkeitskonzept für die Fußball-Euro erstellt.