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Raiffeisen zieht sich umständlich, aber warm an

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

2,2 Milliarden Kapitalbedarf führen zu (unbestätigten) Investoren-Gerüchten.


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Wien.Der enorme Kapitalbedarf, den die Europäische Bankenaufsicht bei der RZB-Gruppe festgestellt hat, führt im Raiffeisensektor zu ziemlich umfangreichen Manövern. "Sie werden es aus eigener Kraft schaffen, aber es ist eine ziemliche Herausforderung", ist aus dem Finanzministerium zu hören. Man muss bis Jahresmitte 2012 zusätzlich 2,2 Milliarden Euro aufstellen. Und an der RZB hängt auch noch zu 45 Prozent die Uniqa Versicherung, die heuer - nach massiven Abschreibungen - einen Verlust schreiben wird.

Die am 28. Dezember stattfindende außerordentliche Hauptversammlung der wichtigsten Raiffeisengesellschaft führt nun bei Investmentbankern zu folgender Frage: Wie viel ist die RZB eigentlich wert? Gemessen am "harten Kapital" und den 5,6 Millionen existierenden Aktien würde sich ein Wert von mindestens 1100 Euro ergeben. Dem Vernehmen nach hat die RLB Niederösterreich-Wien für den jüngsten Kauf des eher mickrigen RZB-Anteils der Hypo Niederösterreich sogar mehr als 1400 Euro je Aktie bezahlt.

Die Frage entstand, weil die RZB an keiner Börse gelistet ist, aber bei der kommenden Hauptversammlung den Vorstand ermächtigen soll, 3,052 Millionen neue Aktien gegen Barzahlung oder Sacheinlage zu verkaufen. Das entspricht immerhin einer Kapitalerhöhung um 60 Prozent. "Wenn es dazu kommt, wird Raiffeisen vorher wissen, wo die Aktien platziert werden. Leute wie Christian Konrad (Aufsichtsratspräsident, Anm.) und Walter Rothensteiner (RZB-Vorsitzender) würden nie viel an Dritte verkaufen", sagt ein Investmentbanker.

Gerüchte um Nordeuropäer

Warum dann dieser Umfang der Kapitalerhöhung? "Erstens heißt es in der Einladung zur Hauptversammlung, bis zu 3,052 Millionen Aktien. Es können also auch weniger sein", sagt RZB-Sprecher Andreas Ecker. "Und dass ein dritter Investor einsteigen könnte, höre ich zum ersten Mal. Es geht vorrangig um eine Bereinigung bei den Netzwerkbanken in Osteuropa." Tatsächlich gibt es am Markt Gerüchte, dass sich die schwedische Wallenberg-Gruppe bei Raiffeisen engagieren könnte. Bei deren Beteiligungsgesellschaft "Investor AB" handelt es sich um einen der reichsten Investoren Europas. Die alteingesessene Industriellenfamilie verkaufte kürzlich den schwedischen Nutzfahrzeuge-Hersteller Scania an VW und muss diese Milliarden neu investieren. Die Familie kontrolliert die schwedische Großbank SEB. Und mit dem Wallenberg-Fonds verbunden ist die schwedische Scania Liv. Angeblich sucht Raiffeisen auch einen Partner für Uniqa, so ein Investmentbanker. Ebenfalls ins Rennen gebracht wird die norwegische Norges, die den dortigen aus Öl und Gas schwerreichen Staatsfonds verwaltet.

Soweit die Marktgerüchte, die sich nirgends bestätigen ließen und von der "Wiener Zeitung" explizit als Marktgerüchte wiedergegeben werden. Investmentbanken und ihre Ideen haben derzeit - wegen der Kapitalerfordernisse europäischer Banken insgesamt - Hochkonjunktur.

Kein Gerücht ist indes, dass die SEB nicht nur kein Kapital benötigt, sondern als einzige Bank Anfang Dezember von Standard & Poor’s aufgewertet wurde. "Die sind wirklich sehr gut", zollen heimische Banker ihren schwedischen Kollegen Tribut.

Ebenfalls kein Gerücht sind die umfangreichen Maßnahmen, die Raiffeisen vorbereitet, um auf die geforderten neun Prozent Eigenkapital zu kommen. Das erste ist eine "interne Maßnahme", die allerdings von der Finanzmarktaufsicht eher vorsichtig begleitet werden soll, wie zu hören war. In Tschechien, Slowakei, Ungarn und Kroatien sind auch Raiffeisen Landesbanken an den dortigen "Netzwerkbanken" als Minderheit beteiligt. Raiffeisen ist in der Region in 17 Ländern mit 60.000 Mitarbeitern vertreten, die dort 14 Millionen Kunden betreuen. In Prag, Bratislava und Budapest geben die Landesbanken dies nun ab - und erhalten dafür vorerst Partizipationsscheine der RZB. 600 Millionen Euro an PS-Kapital werden aufgelegt, das Bezugsrecht für Aktionäre der RZB liegt bei 1:98,26.

"Wenn das Kapital der RZB-Aktionäre von unten nach oben geht, bringt das in der Anrechnung etwas. Die Kapitalquote verbessert sich. Wie viel, hängt von der Bewertung der Banken ab", erklärt der RZB-Sprecher.

"Für Raiffeisen ist die Eigentümer-Struktur heilig", erklärt ein Banker aus dem Sektor, der nicht genannt werden wollte. "Wir werden alles versuchen, um das erforderliche Kapital aus eigener Kraft auszustellen." Die RZB gehört zu 90 Prozent den Raiffeisen Landesbanken. Niederösterreich/Wien ist mit 32 Prozent der größte Aktionär, je 15 Prozent halten Oberösterreich und die Steiermark. Weitere 5 Prozent werden von der UNIQA und der Raiffeisen Ware Austria (Lagerhäuser) gehalten.

Was macht die ÖVAG?

Die restlichen fünf Prozent gehören der Volksbank AG (ÖVAG), die den Anteil verzweifelt abstoßen möchte. Doch: "Wer kauft in Zeiten wie diesen fünf Prozent einer Bank?", fragt ein Banker und gibt sich die Antwort selbst: "Niemand." Wenn auf die fünf Prozent aber was draufgelegt wird, dann möglicherweise schon, heißt es in der Branche. Luft dafür würde es geben, denn die bevorstehende Kapitalerhöhung der RZB gäbe dem Vorstand die Ermächtigung, mehr als drei Milliarden Euro zu emittieren. Die Landesbanken wandeln möglicherweise später das PS-Kapital in Aktien. Bleibt rechnerisch immer noch ein erklecklicher Rest zum Vorschlag an die Hauptversammlung.

"Raiffeisen kommt vielleicht auf die neun Prozent Eigenkapital aus eigener Kraft, aber das Wachstum in Osteuropa ist insgesamt ja höher als in Österreich. Die Bank wird mitwachsen wollen und wird dafür erneut Kapital benötigen", sagte ein Banker, der sich wegen der heiklen Causa auch nicht namentlich zitieren lassen wollte.

Bis dahin heißt es in der größten österreichischen Bankengruppe (Marktanteil zirka 30 Prozent): runter mit dem Risiko. Der Chef der börsenotierten RBI, Herbert Stepic, hat schon gesagt, dass sich die Bank aus manchen Märkten zurückziehen wird. Genannt wurde am Markt Slowenien, es könnte aber auch einen Teil des Ukraine-Geschäftes treffen. Auch das Leasing-Geschäft in Osteuropa wird überprüft.

Paylife-Beteiligung geprüft

Ebenfalls am Prüfstand stehen RZB-Beteiligungen, etwa an der Kreditkarten-Gesellschaft Card Complete (Visa). Dort hält die RZB 25 Prozent. Bei der zweiten Gesellschaft PayLife (Mastercard) sind alle Banken beteiligt, die Erste will aber dem Vernehmen nach raus. Denn PayLife hat nicht nur die Provisionen an die Banken für den Kreditkartenverkauf gekürzt, sondern wird heuer auch wegen hoher Software-Investitionen keinen Gewinn machen. Über PayLife läuft auch das Bankomatgeschäft, es könnte abgespalten werden. Raiffeisen würde dann den Kreditkartenanteil als eigenes Geschäft betreiben.

"Es stehen viele Beteiligungen am Prüfstand", ist intern bei Raiffeisen zu hören. "Es geht darum, Kapital fressende Beteiligungen abzustoßen." Im Frühjahr will die RZB-Gruppe mit dem Großreinemachen fertig sein. Ob der Größe der Bankengruppe wird sich danach in Österreichs Finanzindustrie einiges geändert haben.