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Raiffeisens Verteilungsproblem

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Große Beteiligungen sind unterm Giebelkreuz breit verteilt, in Krisenzeiten ein Ansteckungs-Problem. Vollbremsung bei RBI.


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Wien. Die Raiffeisen Bank International hat bekannt gegeben, das Geschäftsvolumen in Osteuropa zurück zu fahren. Das würde die Kapitalquote verbessern, die Aktie stieg am Donnerstag um elf Prozent auf knapp zehn Euro. Wie die "Wiener Zeitung" bereits in ihrer Donnerstag-Ausgabe berichtete, ist dies aber nur eine Seite des Raiffeisen-Problems.

Im Fokus stehen eher die Raiffeisen Landesbanken beziehungsweise deren Beteiligungen. Denn sie sind der Eigentümer der RZB, die 61 Prozent an der RBI hält. Für die Europäische Zentralbank als Aufseher der Großbanken ist die RZB das Objekt der Untersuchung. Und deren Eigentümer sind eben die Landesbanken. 34,7 Prozent hält die RLB Niederösterreich-Wien, jeweils 14,7 Prozent entfallen auf die RLB Steiermark und Oberösterreich.

Es ist alles sehr kompliziert

Und die haben nun mit dem Problem ihrer Komplexität zu kämpfen, wie das Beispiel Leipnik-Lundenburger (LLI) zeigt. Die Beteiligungsgesellschaft unter Führung von Ex-ÖVP-Obmann und Ex-Vizekanzler Josef Pröll ist im Mühlengeschäft tätig und muss für 2014 massive Abschreibungen in Osteuropa vornehmen. Die Folge: ein Verlust in Höhe von 124 Millionen Euro. LLI gehört zu 50,1 Prozent der RLB Niederösterreich-Wien, zu 33 Prozent der RZB und zu zehn Prozent der UNIQA Versicherung, die ihrerseits von der RZB kontrolliert wird. Gleichzeitig ist die LLI über Beteiligungsverschränkungen aufs engste mit anderen Raiffeisen-Firmen wie der Agrana (Zucker, Stärke, Frucht) und der RWA (Lagerhäuser) verflochten. Und als Mit-Aktionär der Casinos Autria auch mit der Raiffeisen-Geldgruppe.

Was sich nicht nur kompliziert anhört, sondern auch ist, war zum Zeitpunkt der Errichtung goldrichtig: Niemand musste eine Beteiligung konsolidieren (was Kapital schonte), trotzdem liefen alle Drähte beim ehemaligen starken Mann Raiffeisens, Christian Konrad, zusammen. Steuerschonend wirkten die Konstruktionen ebenfalls. Nun zieht sich Christian Konrad aus Altersgründen zurück, bei Raiffeisen hat derzeit also niemand alle Drähte in der Hand. Dazu kommt die Krise und die verschärften Kapitalbestimmungen für Banken.

In Frankfurt bei der EZB sind sich die Aufseher der immensen Bedeutung Raiffeisens für Österreich durchaus bewusst, ist zu hören. Doch die Zeit drängt.

Ungarn soll verkauft werden

Die Sanktionen gegen Russland werden verlängert und verschärft, was die RBI hart trifft. Sie wird daher einen Teil ihrer Kredite dort verkaufen, um das Risiko zu senken. "Das System ist simpel. Kreditausfälle in Russland steigen sowieso. Raiffeisen kann daher Kreditpakete mit einem spürbaren Abschlag an Dritte verkaufen. Dadurch kommt etwas Cash in die Kasse, das unterlegte Kapital aber bleibt bei Raiffeisen", sagte ein Fondsmanager zur "Wiener Zeitung". Da die RBI gleichzeitig ankündigte, in manchen Märkten Osteuropas das Neugeschäft einzuschränken, wird Kapital geschont. Die prozentuelle Kapitalquote steigt. Und genau das wollen Aufsicht und Investoren der börsenotierten Bank. Analysten rechnen fix damit, dass Raiffeisen Ungarn vollständig verkauft. Der ungarische Regierungschef Orban befürwortet dies, ist in Budapester Bankkreisen zu hören. Die Polen-Bank soll über die Börse teilweise verkauft werden. Das verschafft den Eigentümern, also den Raiffeisen Landesbanken, Zeit, löst aber deren Problem nicht. Erstens stehen sie selber vor härteren Kapital-Anforderungen. Zweitens sind viele von ihnen von der Dividende der RZB (die ihrerseits auf die RBI angewiesen ist) abhängig. Ein schöner Teil des Jahresgewinns stammt aus dieser Dividende. Die RBI als "cash cow" fällt wohl auch 2014 aus. Der erwartete Jahresverlust wird eine Dividende unmöglich machen.

Gleichzeitig stehen große Raiffeisen-Landesbanken vor dem Dilemma, den Beteiligungsansatz an der RZB abzuwerten. Als die Abspaltung des Osteuropa-Geschäfts in die RBI vollzogen wurde, gab es eine Bewertung der RZB, die bei rund zehn Milliarden Euro lag. Nahezu alle großen Beteiligungen der RZB sind aber deutlich im Wert gesunken.

Eine solche Abschreibung würde bei manchen Landesbanken allerdings die Kapitalquote gefährlich reduzieren, da sie in der Bilanz gegenzurechnen ist.

Too big, to fail

Wie in der Donnerstag-Ausgabe berichtet, werden daher im Moment mehrere Überlegungen gewälzt, um die Entwicklung in den Griff zu bekommen. Auch hier sind die Möglichkeiten überschaubar: Verkäufe im immensen Beteiligungs-Imperium der niederösterreichischen Raiffeisen Holding, würde Geld bringen, und teilweise Kapital freischaufeln. Das allerdings würde das Raiffeisen-Reich stark schrumpfen lassen. Bei den Funktionären des genossenschaftlichen Systems wird dies nicht so gerne gesehen.

Das offizielle Österreich, also praktisch die gesamte öffentliche Hand, hält sich beim Thema Raiffeisen zurück. Der Bank-Chef eines Mitbewerbers bringt es auf den Punkt: "Niemand kann ein Interesse an Raiffeisen-Problemen haben. Das würde Österreich in Mitleidenschaft ziehen."

Behutsamkeit steht also auf der Tagesordnung. Das nächste Problem, das (nicht nur) Raiffeisen lösen muss, ist die neue Vorgabe der EZB, bei der Dividendenpolitik vorsichtig zu Werke zu gehen. Selbst Banken, die jene Kapitalquoten erfüllen, die erst 2019 gelten, werden dazu angehalten. Bei Zuwiderhandeln wird die EZB diese Bank prüfen, hieß es in einer Aussendung. Die 490 Raiffeisenkassen, die am Ende der finanziellen Nahrungskette stehen, dürfen sich also damit anfreunden, dass es für 2014 nur wenig Geld von den Landesbanken gibt.

Die Diskussionen innerhalb Raiffeisens sind daher heftig, manche wollen gar eine stärkere Fokussierung auf Österreich. "Da gibt es weniger Risiko, das stimmt, aber halt sehr wenig zu verdienen", sagte ein Raiffeisen-Manager zur "Wiener Zeitung".