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"Raifs Platz ist nicht im Gefängnis"

Von Arian Faal

Politik

Die Frau des inhaftierten saudischen Bloggers Raif Badawi, Ensaf Haidar, kämpft für seine Freilassung.


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Wien. Rund 9800 Kilometer entfernt von ihrem, in der saudi-arabischen Hafenstadt Jeddah inhaftierten, Ehemann Raif Badawi(31) kämpft Ensaf Haidar (35) in Kanada für seine Freilassung. Seit 2012 ist der Wirtschaftswissenschaftler in Haft. Im Mai 2014 wurde er zu zehn Jahren Haft, 1000 Stockschlägen und einer Geldstrafe verurteilt, weil er in einem Internetforum den Islam beleidigt haben soll. 50 Stockschläge hat er Anfang Jänner 2015 vor einer Moschee in Jeddah bereits erhalten. Die weiteren Tranchen wurden offiziell "aus gesundheitlichen Gründen" bisher immer wieder verschoben. Derweil wurde auch sein Anwalt zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Der 31-jährige Aktivist hatte auf seiner Internetseite "Liberal Saudi Network" immer wieder die Religionspolizei für ihre harte Durchsetzung der in dem wahhabitischen Königreich vorherrschenden strengen Auslegung des Islam kritisiert: "Sobald ein Denker seine Ideen offenlegt, wird er mit hunderten Fatwas konfrontiert, nur weil er es gewagt hat, ein geheiligtes Thema aufzugreifen". In dem Buch, das Ensaf Haidar nun unter dem Titel "Freiheit für Raif Badawi, die Liebe meines Lebens", im Lübbe Verlag herausgebracht hat, heißt es dazu: ". . . seine theoretische Auseinandersetzung beherrschte in dieser letzten Phase der Begriff des Liberalismus. Darunter verstand Raif Toleranz seitens des Staates und Respekt vor der individuellen Freiheit seiner Bürger, dazu zählte für ihn auch das Recht auf Religionsfreiheit".

"Wiener Zeitung": Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Geschichte gerade jetzt zu Papier zu bringen?

Ensaf Haidar: Es gab ja schon zuvor ein Buch mit Raifs Artikeln aus seinen Blogs und aus seinen Berichten in den Medien. Ich wollte mit dem Buch dazu beitragen, dass die Leser nicht nur den Blogger Badawi sehen, sondern auch den Menschen dahinter, seine Familie und seine Geschichte. Ich hoffe, dass viele Menschen mein Buch lesen und mich und meinen Mann, sowie die Kinder auch von einer anderen Seite kennenlernen. Wenn sie uns besser verstehen, wird auch hoffentlich ihre Solidarität größer.

Was gibt es Neues von Ihrem Mann? Wie geht es ihm?

Raif ist stark. Er glaubt an seine Sache. Dennoch geht es ihm körperlich und seelisch schlecht.

Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm telefoniert?

Am 28. August, bevor ich nach Deutschland gefahren bin.

Wie oft telefonieren Sie?

Wir dürfen ihn nie anrufen. Er meldet sich ein bis zweimal in der Woche aber nur sehr kurz, also zwischen fünf und zehn Minuten. Dabei spricht er auch mit den Kindern, das gibt ihm Kraft. Ich versuche ihn bei diesen Gesprächen aufzubauen und ihm Hoffnung für die Zukunft zu geben.

Wie reagieren die Kinder, die schon seit vier Jahren von ihrem Vater getrennt sind?

Soweit man das sagen kann, geht es den Kindern gut. Psychisch stehen sie aber unter einem enormen Druck. Sie vermissen ihren Vater, nicht nur in Tagen der Freude, sondern auch in Tagen der Trauer.

Haben Sie Neuigkeiten von der saudischen Justiz? Wie steht es um die Revision?

Der ganze Prozessvorgang ist sehr geheim gehalten und wir bekommen leider nicht alles mit. Vom Gericht selbst gibt es nur dürftige Informationen. Es ist ein ungewisses Warten. Ob sich ein neuer Richter mit dem Fall beschäftigen wird, ist unklar.

Haben Sie keine Angst, dass Ihr immenser öffentlicher Kampf um die Freilassung Raifs das Gegenteil bewirkt und die saudischen Behörden auf stur schalten? Das Außenamt in Riad hat sich mehrfach jegliche Einmischung verbeten.

Im Gegenteil. Durch die mediale Berichterstattung wurde der Fall erst international bekannt und ich hoffe inständig, dass die Medien weiter berichten, bis er freigelassen wird.

Gibt es seitens der saudischen Behörden auch Druck auf Sie in Kanada?

Nein, ich lebe frei und unabhängig in Kanada und danke der Regierung dort, dass sie mir und meinen Kindern als erstes Land Asyl gewährt haben. Alles, was mir in Kanada für ein glückliches Leben fehlt ist Raif.

Österreich setzt sich als neutrales Land sehr massiv für Ihren Mann ein. Was ist Ihr Appell an die Regierung?

Zunächst möchte ich den Medien und der Regierung danken, dass sie sich für meinen Mann einsetzen. Die Regierung würde ich noch einmal bitten, dass sie direkte Gespräche mit der saudischen Regierung und dem König führt und noch einmal urgiert, dass mein Mann freigelassen wird und nach Kanada zu uns kommen darf.

Was verlangen Sie von der saudischen Führung?

Sie soll bitte den Fall neu prüfen. Mein Mann fehlt uns, er ist das teuerste, was wir haben. Er ist so ein friedfertiger und rechtschaffener Mensch. Ich will, dass sie ihn freilassen und betone noch einmal mit Nachdruck: Raifs Platz ist nicht im Gefängnis.