Missverständnisse sind das größte Kriegsrisiko. Mit Raketen signalisiert der Iran nun Mäßigung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der iranische Vergeltungsschlag gegen US-Stützpunkte im Irak war absehbar. Er folgte der Logik nationaler Selbstbehauptung nach der gezielten Tötung der Nummer zwei im Teheraner Machtgefüge durch die USA; diese "Rache" richtet sich vor allem nach innen, an die eigenen Bürger.
Doch genauso hält sich der Gegenschlag an das existenzielle Gebot, die brandgefährliche Situation nicht vollends außer Kontrolle geraten zu lassen; diese Botschaft ist nach außen, an die USA, an die internationale Gemeinschaft gerichtet.
Das eine ist für das iranische Regime so überlebensnotwendig wie das andere.
Man muss es als Fortschritt bezeichnen, dass sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Missverständnisse die größte Gefahr für eine außer Kontrolle geratene Gewaltspirale in den internationalen Beziehungen sind: Falsche Annahmen oder unvollständige Informationen über die tatsächlichen Absichten und Motive eines Gegners führen dazu, dass jede Seite die jeweiligen nächsten Schritte falsch kalkuliert. Botschaften können falsch verstanden werden, sei es, weil sie Mehrdeutigkeit zulassen, sei es, weil sie sich an andere Adressaten richten.
So gesehen lässt sich die "Rache" des Iran durchaus als Zeichen der Mäßigung interpretieren. Zwar sprach das iranische Staatsfernsehen anschließend von 80 getöteten Amerikanern, doch Stand Mittwoch wurden durch die Raketen aufgrund rechtzeitiger Warnhinweise weder US- noch sonstige Nato-Soldaten verletzt.
Die Frage ist nun: War es das jetzt mit der angekündigten Vergeltung oder kommt noch etwas? Und wenn ja, werden die nächsten Schritte ebenso gemäßigt ausfallen? Wenn ja, wäre der erste Schritt hin auf dem langen Weg zur Beilegung der Kriegsgefahr geschafft. Am Zug wären dann die USA, die mit ihren nächsten Zügen ebenfalls signalisieren müssten, dass sie eine Deeskalation der brandgefährlichen Lage anstreben. Die Rede Donald Trumps vom Mittwoch scheint in diese Richtung zu gehen. Was hoffentlich dann auch der Iran genau in diesem Sinne verstünde. An den Verbündeten der Hauptgegner USA und Iran ist es nun, diese Anzeichen einer Stabilisierung zu unterstützen; gefordert sind die EU, Russland, China und die Türkei.
Und dann bleibt schließlich immer noch die Gefahr, dass zwar die USA und der Iran wieder zu einer nicht-militärischen Konfrontation zurückkehren (mehr ist realiter nicht zu erwarten), aber der Irak als Pufferstaat weiterhin nur Aufmarschgebiet fremder Mächte bleibt. Die Region bliebe damit, was sie ist: ein Pulverfass.